Spillover
Südostasiens, Indonesiens und der Philippinen vertrieben, waren sie nur allzu bereit, ihre Chance zu nutzen und in den Randgebieten der Zivilisation Fressbares zu suchen, zu stehlen und zu erbetteln. Sie leben überall da, wo sie etwas zu fressen finden und mehr oder weniger geduldet werden. Rhesusaffen sieht man auf den Brüstungen von Regierungsgebäuden in Delhi. Javaneraffen kann man dabei zusehen, wie sie auf den Fluren der Studentenwohnheime einer Universität nicht weit von Kuala Lumpur nach Abfällen suchen. Und da sowohl die hinduistische als auch die buddhistische Religion ganz allgemein eine sanftmütige Einstellung gegenüber Tieren und insbesondere nichtmenschlichen Primaten pflegt, ist die Zahl der Makaken stark gewachsen: Rund um ihre Heimatregionen machen sie sich frech in vielen Tempeln breit, insbesondere wenn ein solcher Tempel in der Nähe eines noch verbliebenen Waldes oder sogar mittendrin steht.
In der Nähe der Hindutempel gereicht ihnen zum Vorteil, dass sie dem Affengott Hanuman ähnlich sehen. Auch im Buddhismus oder zumindest in seiner japanischen, chinesischen und indischen Spielart gibt es eine alte Tradition der Affenverehrung. Dies erkennt man an religiösen Kunstwerken und Skulpturen, so an den berühmten, geschnitzten drei Affen (nichts Böses sehen, nichts Böses hören, nichts Böses sprechen) am Toshogu-Schrein nördlich von Tokio. In diesen Regionen kommen Makaken schon seit Generationen, ja schon seit Jahrhunderten aus der freien Wildbahn dorthing und haben sich an die Nähe der Menschen gewöhnt. Heute bilden sie die Maskottchen vieler Tempel und Schreine; sie werden als Gefolgsleute Hanumans oder der Shinto-Gottheit Sanno gehätschelt und leben im Wesentlichen von den Pilgern und Touristen.
Ein solcher Ort ist der Sangeh-Affenwald im Inneren der Insel Bali. Er liegt inmitten der grünen Vulkanhänge und Reisterrassen der schönsten Insel der Welt. Hier warten 200 Makaken auf die Almosen der vielen Tausend Besucher, die jeden Monat durch den Tempel und den zugehörigen kleinen Wald schlendern. Deshalb wählten die Anthropologin Lisa Jones-Engel von der Universität Washington und ihr Mann, der Arzt Gregory Engel, Sangeh als Ort für ihre Untersuchungen zum Kontakt zwischen Menschen und dem von Affen übertragenen Herpes B. Eines wussten sie dabei ganz genau: Hier herrschen völlig andere Verhältnisse als im Labor.
Bali ist mit einer Fläche, die gut doppelt so groß ist wie das Saarland, und einer Bevölkerung von fast vier Millionen Menschen einer der am dichtesten besiedelten menschlichen Lebensräume auf der Erde – aber es ist eine bezaubernde Dichte: Die Insel ist so erfindungsreich aufgebaut, in Terrassen untergliedert, bewässert und aufgeteilt, dass sie nicht so eng und elend wirkt wie andere dicht bevölkerte tropische Staaten. In Bali leben die meisten Hindus Indonesiens, das ansonsten ein überwiegend muslimisches Land ist. Der kleine Wald von Sangeh umfasst rund sechs Hektar mit Laubbäumen, die den Makaken Schatten und Schutz, aber nicht viel natürliche Nahrung bieten. Stattdessen leben die Affen von Erdnüssen, Bananen, kaltem Reis, Blütenblättern und anderen Gaben, die ihnen Tempelangestellte, Touristen und hinduistische Gläubige zuteilwerden lassen. Der Fahrweg, der in den Wald führt, ist von Läden mit Souvenirs, Kleidung und Affenfutter gesäumt. Und die Affen scheuen sich nicht, solche Geschenke anzunehmen und sogar zu fordern. Ihre natürliche Scheu vor Menschen haben sie völlig verloren. Geschäftstüchtige einheimische Fotografen betreiben einen florierenden Handel mit Bildern von Touristen, die mit Makaken posieren. Aber manchmal können die netten kleinen Kerle auch beißen und kratzen.
Engel, Jones-Engel und ihre Kollegen erhoben an dieser Stelle zwei interessante Datensätze. Zum einen verschafften sie sich mittels Blutproben einen Überblick über die Affenpopulation, und zum anderen erfassten sie die menschlichen Arbeitskräfte von Sangeh mithilfe von Befragungen und weiteren Blutproben. Ihre Befunde sagen eine Menge darüber aus, welche Gelegenheiten für das Überspringen des Virus zwischen asiatischen Affen und Menschen bestehen.
Die Arbeitsgruppe nahm 38 Makaken, darunter 28 ausgewachsene Tiere und zehn Junge, Blut ab. In dem Blutserum suchten sie nach Anhaltspunkten für Antikörper gegen Herpes B, das Virus, an dem William Brebner und die meisten anderen, die sich damit infiziert hatten, gestorben waren. Die Laborergebnisse waren
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