Spillover
um die Gefangenen zu unterstützen. Feeroz und die Studenten haben sich auf diesen Augenblick vorbereitet und große Stöcke aufgehoben. Jetzt schwingen sie sie, drohen ihrerseits, schlagen auf den Boden und schreien, um die Makaken zurückzutreiben. Ich halte die Tür mit dem Fuß fest, wie es mir gesagt wurde, damit die geschickten Affenfinger sie nicht entriegeln können. Die Tiere draußen lassen sich nicht ohne weiteres einschüchtern. Sie weichen den Stöcken aus, ziehen sich zurück, hüpfen hin und her, kreischen umso lauter und kommen wieder auf uns zu wie die geflügelten Affen in Der Zauberer von Oz . Währenddessen geht Gregory Engel mit seiner Spritze zu der Falle, und es gelingt ihm, durch den Maschendraht hindurch den Schwarzenegger-Makaken am Oberschenkel zu treffen; noch in der gleichen Bewegung drückt er den Kolben hinunter. Das war ein raffinierter Schachzug, der nicht gerade ins Repertoire eines Hausarztes aus Seattle gehört.
Innerhalb weniger Sekunden schwindet Schwarzeneggers Elan dahin. Das Tier wird schwerfällig und dann schlaff. Licht aus, und das für mindestens eine halbe Stunde.
Mit schnellen Handgriffen bemüht sich Engel, die anderen zu erwischen. Aber das ist schwierig – sechs Affen toben immer noch durch den Käfig, weitere hat er hinter seinem Rücken. Trotzdem gelingt es ihm, innerhalb weniger Minuten allen fünf erwachsenen Tieren in der Falle eine Spritze zu geben. Als wir die Tür öffnen, tapsen ein Jungtier und der Säugling davon, aber die anderen liegen auf dem Boden wie im Vollrausch.
Wir stecken sie in eine Reisetasche. Los, schnell, sagt Engel. Zwei Studenten tragen die Tasche die Treppe hinunter und hieven sie dann behutsam über eine Mauer. Dahinter steht Jones-Engel bereit, um die betäubten Affen in Empfang zu nehmen. Sie ist in das traditionelle Gewand der Bangladeschis gekleidet: eine Salwar-Hose mit weitem Oberteil und einen Schleier über den Schultern. Es ist ihre übliche Kleidung im Freiland, ein Zugeständnis an die Empfindlichkeiten der Einheimischen. Jetzt trägt sie aber auch Gummihandschuhe und eine Gesichtsmaske. Sie führt die Affenträger eine Gasse hinunter und in einen privaten Innenhof, den Frauen betreten dürfen. Hier hat man Tische vorbereitet; Tupfer, Glasgefäße, Klemmbretter und weitere Spritzen liegen bereit. Das Datensammeln kann beginnen.
Lisa Jones-Engels ist eine energische, geradlinige Frau und hat viel Erfahrung mit asiatischen Primaten. Als sie und ihre Assistentinnen beginnen, Blut und Abstriche der Mundschleimhaut zu entnehmen, machen sich ihr Mann und Feeroz, gefolgt von den Studenten und mir, auf den Rückweg zum Schrein, um weitere Affen zu fangen.
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Ganz oder gar nicht?
»Aus Angst vor Herpes B machen sich die Leute in die Hose«, erzählt sie mir ein paar Tage später. Wir sind wieder in Dhaka; nach einem langen Arbeitstag sitzen Lisa, Gregory und ich in meinem Hotelzimmer bei einem Glas Whisky zusammen. Lisa ist knallhart. »Wegen Herpes B werden ganze Affenpopulationen abgeschossen und …« – sie denkt an die Dezimierungsaktion im Safaripark und ähnliche Ereignisse – »einfach ausgerottet. In dieser Beziehung ist Herpes B wie Ebola.« Damit meint sie, dass der Erreger nicht nur Furcht einflößt und eine durchschlagende Wirkung besitzt, sondern dass er auch zutiefst missverstanden wird.
Natürlich sind Herpes B und Ebola ganz unterschiedliche Erreger. Aber sie hat recht: Es gibt auch bemerkenswerte Ähnlichkeiten. Beide Viren sind für Menschen häufig tödlich, aber ihre Auswirkungen wären viel größer, wenn sie nicht den Beschränkungen durch ihre begrenzte Übertragbarkeit unterliegen würden. Menschen sind für sie als Wirte eine Sackgasse. Vielfach sind ihre wirklichen Eigenschaften nicht bekannt, und man neigt dazu, ein unrealistisch großes Risiko zu befürchten. Aber natürlich gibt es Unterschiede: Ebola ist berühmt und berüchtigt, Herpes B dagegen weitgehend unbekannt – jedenfalls dann, wenn man nicht gerade in einem Affenlabor arbeitet oder einen Safaripark betreibt.
Lisa beharrt darauf, die Tötung von Makaken, die in Gefangenschaft leben, sei selbst dann nicht nötig, wenn das Virus in der Population nachgewiesen wurde – jedenfalls solange nur eine äußerst geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Affen den Erreger auf Menschen übertragen. Und ein positiver Antikörpertest beweist noch nicht einmal, dass das Virus überhaupt vorhanden ist.
So gefährlich Herpes B auch sein mag,
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