Spillover
Makaken hocken auf den Dächern der tiefer gelegenen Häuser, Makaken klettern an Regenrohren hoch, Makaken turnen über die Stromleitungen, Makaken lungern auf der Treppe herum und laufen auf ihrem Geländer, Makaken hüpfen zwischen den Gräbern.
Zwei Tage später kommen wir frühmorgens zurück, um den Frieden zu stören. Unsere Affenfalle wird hier, vor Ort, zusammengebaut. Sie besteht aus einem Würfel aus Aluminiumblech und Nylonnetzen und ist so groß wie ein Kleiderschrank. Sie wurde speziell für diesen Zweck gebaut und besitzt eine Falltür, die mit einem Draht aus der Ferne geschlossen werden kann. Man setzt sich ein Stück weit weg, wartet, bis die Affen die Falle betreten, zieht an der Leine – und die Tür schließt sich. Wichtig ist, dass man nicht zu früh zieht, erfahre ich. Denn man darf sich nicht mit dem ersten Tier zufriedengeben, das sich hineinwagt. Der Mensch, der den Draht bedient, muss Geduld haben und auf den richtigen Augenblick warten, wenn sich möglichst viele Tiere im Inneren der Falle befinden.
Ich habe nur eine untergeordnete Aufgabe: Wenn die Tür zufällt, soll ich sofort hingehen und sie mit dem Fuß festhalten, damit sich die gefangenen Makaken nicht wieder befreien können. Anschließend übernimmt Gregory Engel den schwierigen Teil: Er stellt einen Affen nach dem anderen mit einer Spritze Tiletamin ruhig, einem schnell wirkenden Tiernarkotikum. Wie gibt man einem hysterischen Affen eine Spritze? In diesem Fall sticht man ihn durch das Drahtnetz in den Oberschenkel. Professor Mohammed Mustafa Feeroz, mit dem Engels und Jones-Engels in Bangladesch zusammenarbeiten, geht zusammen mit vier seiner Studenten in Verteidigungsstellung. Das ist wichtig, weil die nicht gefangenen Affen unter Umständen herbeistürmen und verzweifelt versuchen, ihre Kameraden zu befreien. Sie könnten eine nicht zu unterschätzende Truppe werden. Lisa Jones-Engel, der führende Kopf des ganzen Projekts, darf als Frau den Schrein nicht betreten; sie wartet mit einigen Assistentinnen in der Nähe in einem Hinterhof darauf, dass sie Blut abnehmen kann. Eins, zwei, drei: fangen, ruhigstellen, Blut abnehmen. Ist doch einfach, oder?
Ich kann Ihnen sagen: Es gibt vieles, was einfacher ist.
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Und Action!
Mustafa Feeroz ist Professor für Zoologie an der Jahangirnagar University in Savar unmittelbar nördlich von Dhaka. Er ist ein liebenswürdiger Mensch und ein gewissenhafter Wissenschaftler. Natürlich hat er zusammen mit Dr. Jones-Engel die Genehmigung eingeholt, die Affen von Chashnipeer Majar einzufangen. Er hat den Beamten erläutert, welche wissenschaftlichen Ziele das Team verfolgt und wie es dafür sorgen will, dass den Tieren kein Schaden zugefügt wird. Nun ist es so weit.
Als Köder liegen Puffreis und Bananen in der Falle. Schon wenige Augenblicke nachdem die Affen gesehen haben, wie die Köder ausgelegt werden, kommen einige von ihnen näher und sehen sich die Sache genauer an. Sie klettern innen und außen auf der Falle herum. Die meisten anderen halten sich zurück. Offenbar spricht es sich unter ihnen herum, die Aufregung wächst, auf den Dächern tauchen immer mehr Tiere auf; es sind jetzt sicher mindestens hundert, alle voller nervöser Neugier wegen unserer Gegenwart und fasziniert von den Ködern. Wir treiben uns diskret auf den Stufen und dem Abhang herum, blicken unschuldig drein und wenden den Blick ab. Feeroz hält die Schnur der Fernbedienung. Er hat die Geduld eines Anglers, der zusieht, wie der Schwimmer zuckt. Er wartet auch dann noch, als sich mehrere besonders große Makaken in die Falle begeben, um sie zu inspizieren. Einer von ihnen, ein großes Männchen mit dem Körperbau eines Schwarzenegger und sehr langen Reißzähnen, dürfte das Alphatier des Trupps sein. Er benimmt sich völlig ungeniert und will sich nehmen, was ihm zusteht. Hinter ihm betreten ein paar weitere Tiere die Falle. Feeroz zieht.
Die Tür fällt herunter. Schwarzenegger und sechs andere sind gefangen, und sofort ist die Hölle los. Die gefangenen Affen geraten in Panik: Sie toben und klettern an den Maschendrahtwänden und an der Decke entlang. Die Tiere draußen rasten völlig aus, als sie sehen, dass wir einen ihrer Chefs und ein halbes Dutzend andere eingefangen haben, darunter ein Weibchen mit einem Säugling. Mittlerweile sind ungefähr achtzig weitere Makaken von ihren Ästen, Drähten und Dächern heruntergekommen. Sie schreien und schnattern, rennen um uns herum und machen Angriffsbewegungen,
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