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Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
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Menschen offenbar harmlos, und wurde deshalb auch als »Virus auf der Suche nach einer Krankheit« 104 bezeichnet. Als man es später mit weiterentwickelten molekularbiologischen Methoden – insbesondere mit der Gensequenzierung – genauer untersuchte, stellte sich heraus, dass es sich wahrscheinlich nur um eine Variante des in Schimpansen heimischen Foamy-Virus handelt. Lisa Jones-Engel und ihr Mann interessieren sich allerdings mehr für die Versionen, die in asiatischen Makaken zu Hause sind.
    Wie die afrikanischen SFV s, so sind auch diese asiatischen Viren anscheinend harmlos, wenn sie auf Menschen überspringen. Während unseres Gesprächs in Dhaka formuliert Lisa diese Aussage allerdings ein wenig vorsichtiger. »Man kennt bei nichtmenschlichen Primaten, die mit einem Affen-Foamy-Virus infiziert sind, keine Krankheit. Wenn das Virus nun die Artenschranke überspringt und Menschen infiziert …« – nun, was dann geschieht, ist wegen fehlender Daten kaum zu sagen. »Bisher haben wir uns nur so wenige Menschen ansehen können, dass sich eigentlich nichts darüber sagen lässt, ob es bei unserer Spezies eine Krankheit hervorruft.« Die Zahl der beobachteten Menschen war zu gering und die Beobachtungszeit zu kurz. Als Retroviren haben die SFV s möglicherweise eine lange Latenzzeit, und sie vermehren sich im Organismus nur langsam, bevor sie aus ihren Verstecken zum Vorschein kommen und Unheil anrichten.
    Für Engel und Jones-Engel liegt der Ausgangspunkt dieser Forschungsrichtung ebenfalls im Tempel von Sangeh auf Bali, wo sie nicht nur nach Herpes B, sondern auch nach dem Affen-Foamy-Virus suchten. Und wie Herpes B, so scheint auch SFV in der Population weit verbreitet zu sein: Antikörper gegen den Erreger fanden sie in den meisten getesteten Makaken. Die Infektion dürfte demnach wie Herpes B durch soziale Kontakte von einem Affen zum anderen weitergegeben worden sein. Aber wie häufig springt sie auf Menschen über?
    Die Wissenschaftler fingen nicht nur Affen ein und nahmen ihnen Blut ab, sondern sie untersuchten mit den gleichen Methoden auch das Blut von über achtzig Menschen. Die Menschen waren mit einer einzigen Ausnahme negativ. Dieser Mann, ein balinesischer Bauer, lebte in der Nähe von Sangeh, suchte häufig den Tempel auf und war einmal gebissen sowie mehrmals gekratzt worden. Nein, sagte er, er habe nie einen Affen gegessen. Nein, er halte auch keinen Affen als Haustier. Wenn das Virus in ihm war, musste es von einem der aggressiven Tiere im Tempel stammen. Im Rückblick war es der bemerkenswerteste Aspekt der Befunde von Jones-Engel und Engel, dass von ihren rund achtzig balinesischen Versuchspersonen nur dieser Bauer infiziert war. Seither haben weitere Untersuchungen in anderen asiatischen Staaten (Thailand, Nepal und Bangladesch) gezeigt, dass das Affen-Foamy-Virus leichter auf Menschen überspringt, als man es nach den ersten Befunden vermutet hätte.
    Aber wenn es keine Krankheit auslöst, muss man sich doch nicht mit diesem Virus beschäftigen, oder?
    Neben der naheliegenden Möglichkeit, dass es eine unbekannte Krankheit verursacht, haben Engel und Jones-Engel noch einen anderen Grund, es doch zu tun. »Es ist ein Marker«, erklärt mir Gregory. »Ja, wir haben einen Übertragungsmarker erwischt«, stimmt Lisa zu. Damit meinen sie, dass SFV in einer Menschenpopulation ein Hinweis ist, dass es Gelegenheiten zu allen möglichen speziesübergreifenden Infektionen gegeben hat. Wenn das Affen-Foamy-Virus den Sprung von einem halb zahmen Makaken zu einem Menschen – zu mehreren Menschen, vielleicht zu Tausenden von Menschen, die sich an Orten wie Sangeh aufgehalten haben – gelungen ist, könnten es auch andere Viren geschafft haben, die bisher nicht nachgewiesen wurden und deren Auswirkungen man nicht kennt.
    »Und warum ist das so wichtig?«, frage ich.
    »Weil wir nach The Next Big One suchen«, erwidert sie.
    62
    Virusstrategien I: Übertragbarkeit
    »The Next Big One«, die nächste große Epidemie, ist, wie ich bereits am Anfang dieses Buches erwähnt habe, für Krankheitsforscher auf der ganzen Welt immer wieder ein Thema. Sie denken darüber nach, sie sprechen darüber und sie sind es gewohnt, danach gefragt zu werden. Wenn sie arbeiten oder über Pandemien der Vergangenheit diskutieren, haben sie immer The Next Big One ( NBO ) im Hinterkopf.
    Die jüngste Pandemie ist AIDS . Wie groß sie am Ende wirklich sein wird (was das Ausmaß der Schäden und ihrer Reichweite angeht), lässt

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