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Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Titel: Spines - Das ausradierte Ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherm
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Recht alter Menschen als vollwertige Mitglieder an der Gesellschaft teilzunehmen.
    Sarah wurde bitter. Alte Menschen, das wusste sie längst, hatten nur mehr eine Chance, an der Gesellschaft teilzunehmen, wenn sie konsumieren konnten. Sie wurden so lange als Mitglieder der Gesellschaft angesehen, solange man Geld aus ihnen herausholen konnte. Es war wie in manchen Familien. Die Verwandtschaft wartet ungeduldig, bis die alten Herrschaften endlich sterben, und dann zerbeißt man sich um das Erbe.
    Fuck! Sarah hasste sich, wenn sie sich in so einen negativen Gedankenstrudel abgleiten ließ. Das war gar nicht ihre Art, aber das Thema »Medizin« machte sie wütend. Fuck! GDT war nun mal eine Firma, die mit der Krankheit Alzheimer Milliarden machen wollte und vielleicht auch machen würde, und das war ihr einziges Interesse! Nicht das Wohl von alten Leuten! Fuck! Und dieser Film war eine einzige Lüge! Fuck! Eine einzige Heuchelei, so wie diese ganze Pressekonferenz. Fuck! Sie hatte einfach ein Recht, wütend zu sein! Fuck!
    Sie zeigte dem Monitor einen Stinkefinger, wohl wissend, dass der natürlich unschuldig war, wandte sich ab und verließ den Markt.
    Klar, natürlich machen sie bei Gene Design Tech Experimente jenseits der Legalität, dachte sie. Paul war ein Träumer. Denn nur ein Träumer konnte glauben, dass GDT ihn selbstlos und nur im Interesse der Wissenschaft bei seinen Forschungen unterstützte. Jack Cruise hatte einen guten Eindruck auf sie gemacht. Aber was sie gerade gesehen hatte, war zum Kotzen. Gene Design Tech hatte extrem dreckige Finger, dessen war sie sich jetzt sicher. »Jochen Jakowski«, in den Aufzeichnungen ihres Vaters war dieser Name auch einige Male erwähnt. Jochen war einer der Probanden mit denen er bei GDT Interviews geführt hatte. Und Jochen war ihm genauso aufgefallen wie Mark. Auch bei ihm gab es Widersprüche in dem, was er erzählte. Sie musste sich unbedingt noch einmal die Aufzeichnungen ihres Vaters durchlesen und sich die Gespräche mit Jochen anhören. Vielleicht gab es ja eine Möglichkeit, herauszufinden, was bei GDT vor sich ging.
    Sie machte auf dem Absatz kehrt, ging in den E-Markt zurück und kaufte sich kurz entschlossen ein Sub-Notebook. Sie brauchte so ein Ding, auch wenn sie eigentlich keine Kohle dafür hatte. Fürs Erste konnte sie mit Karte bezahlen, und irgendwie würde sie es schon schaffen, ihrer Mutter die 900 Euro aus dem Kreuz zu leiern.
    Noch an der Kasse entledigte sie sich der Verpackung und setzte den Rechner unter den argwöhnischen Augen der Kassiererin zusammen. Dann fuhr sie mit der Rolltreppe in die obere Etage des Marktes und setzte sie sich in die weitgehend verlassene Coffee Shop Ecke. Sie startete das Sub-Book und schob die SD in den Kartenslot.
    Mit der Suchfunktion war es kein Problem, alle Dateien zu finden, die mit Jochen zu tun hatten. Es gab eine ganze Reihe von Interview-Mitschnitten und mehrere Notizblockdateien. Sie öffnete zuerst die Notizblockdateien und hörte sich danach die entsprechenden Audiofiles an. Was sie hörte, war nicht gerade geeignet, ihren Verdacht gegenüber Gene Design Tech zu zerstreuen.

* * *
    Das Adlon war eine Enttäuschung. Er hatte sich mehr von diesem wiederbelebten Traditionshotel erwartet. Aber die Atmosphäre war missglückt, zu sehr auf Prunk gemacht. Die Intercontis gefielen ihm in der Regel besser. Sie hatten den klareren Stil. Und in Sachen Hotels war er Experte. Er hatte die letzten Jahre ausschließlich auf Reisen und in Hotels verbracht.
    Er wusste nicht, warum man ihn nach Berlin geholt hatte. Seinen Auftrag hätte er genauso gut von jedem anderen Ort auf der Welt aus durchführen können. Aber die Agentur hatte darauf bestanden. Und er fragte nicht nach. Es gehörte zum Prinzip, dass man Aufträge einfach ausführte, ohne den Zusammenhang zu kennen, in dem sie standen. Je weniger man wusste, desto sicherer war man.
    Er sollte eine Zielperson im Internet kontaktieren und ihr auf diesem Weg eine Reihe von Botschaften übermitteln. Plattform für den Kontakt war eine Community, die sich otherworld.com nannte. Eine imaginäre Welt, die von ihren imaginären Bewohnern nach eigenen Vorstellungen mitgestaltet werden konnte. Er hatte den Kontakt bereits vor ein paar Wochen aufgenommen und sich seitdem mehrmals mit der Zielperson in der Cyber-Welt getroffen. Inzwischen waren sie fast Freunde geworden. Und immer wenn der »Catcher«, wie sich die Zielperson in Otherworld nannte, online war, versuchte er von

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