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Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Titel: Spines - Das ausradierte Ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherm
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Einweckglas mit Kaffee und drei Zwei-Liter-Flaschen Mineralwasser. Kurz, alles, was man für einen gemütlichen Kaffeenachmittag brauchte. In der Ecke gab es eine Steckdose, in der ein kleiner Heizlüfter steckte.
    »Gar nicht schlecht«, dachte sie, besser als das Auto. Wenn sie sich eine Luftmatratze besorgte, konnte sie sich noch eine gemütliche Schlafecke einrichten. Fehlte eigentlich nur noch ein Klo und das musste es bestimmt irgendwo im Haus geben. Parkhäuser hatten immer Klos, die Frage war nur, ob das Ding offen war. Aber dafür würde es auf alle Fälle eine Lösung geben. Viel wichtiger war, ob sie hier in Sicherheit war. Wussten die Leute, die hinter ihr her waren, von dieser Garage? Es war vielleicht besser, das Ganze mal ein, zwei Nächte von außen zu beobachten.
    Sie sah sich weiter um. Ein schmaler Rollschrank gleich neben dem Garagentor war verschlossen. Von einem Schlüssel keine Spur. Sie schaffte es, das Schnappschloss mit der Klinge eines Cutters zur Seite zu drücken. Mit einem lauten »Ratsch« sauste der Rollladen nach unten. Der Schrank war von oben bis unten voller Ordner mit Steuerunterlagen. Sie hatte die Buchhaltungsbelege ihres Vaters für die vergangenen zehn Jahre vor sich, fein säuberlich nach Jahreszahlen geordnet. Sie blätterte ein paar der Ordner oberflächlich durch. Nichts, was irgendwie auffällig gewesen wäre. Weitere Schränke gab es nicht. Das Werkzeug war in einem rollbaren Werkzeugwagen aus Metall untergebracht. An ein paar Haken in der Betonwand hingen eine Bohr- und eine Schleifmaschine.
    Sie schaute sich im Innenraum des DS 21 um. Alles war makellos restauriert und geputzt – auch im Handschuhfach kein Stäubchen. Ihr Vater musste einen Autofimmel gehabt haben, kein Zweifel, richtig abartig. Selbst der Kofferraum sah aus wie geleckt. Sie ließ sich in die Polster der Rückbank fallen und dachte nach.
    Gab es hier überhaupt etwas zu finden? Oder rannte sie nur einer Chimäre hinterher, wenn sie im Leben ihres Vaters schnüffelte? Sie hatte nicht einen Beweis, nicht einen Hauch davon. Alles, was es gab, waren vage Spekulationen eines Züricher Kommissars über die Ursachen für den Tod ihres Vaters. Und es gab Mark, seine seltsame Art, seine Hilferufe auf dem AB. Sie musste auf alle Fälle noch mal mit Mark reden. Wenn, dann war er der Schlüssel zu allem. Sie würde ihn in den nächsten Tagen mal besuchen gehen. Jetzt brauchte sie was Matratzenähnliches zum drauf liegen. Sie zog das Garagentor zu und ging zum Auto. Unterwegs schaute sie sich ein paarmal um. Sie wollte sicher gehen, dass ihr niemand folgte.
    Es war kurz vor sieben. In den Läden herrschte Hochbetrieb. Sie ließ sich mit der Masse in ein Kaufhaus spülen und suchte nach einer Luftmatratze. Weil sie nicht viel Aufwand treiben wollte, schnappte sie sich die erstbeste und ging Richtung Kasse. Die Kassiererin war nicht die Schnellste. Es hatte sich bereits eine beträchtliche Schlange gebildet, die nur langsam vorrückte. Sie fing an sich unwohl zu fühlen. Und bei dem Gedanken, die Luftmatratze aufblasen zu müssen, kriegte sie Ekelgefühle. Also warf sie das Ding zwischen die T-Shirts auf einem Wühltisch und machte, dass sie raus kam.
    Gleich gegenüber gab es einen Matratzen-Laden, der mit einer Reihe von Sonderangeboten warb. Weil sie keine Lust mehr hatte, weiter zu suchen, kaufte sie einfach eine zusammenklappbare Gästematratze aus Schaumstoff. Sie hätte lieber eine sich selbst aufblasende Thermarest-Matratze gehabt, aber egal, für ein paar Tage tat es auch diese hässliche Gästematte – dann konnte sie das Ding ja wegwerfen.
    Als sie den Wagen wieder vor dem Parkhaus abstellte, war es halb neun. Sie parkte absichtlich nicht unmittelbar am Eingang, sondern wählte einen Platz schräg gegenüber unter einer alten Kastanie. Die Dämmerung war schon weit fortgeschritten, aber es war noch nicht völlig dunkel. Sie schaltete das Licht aus und beobachtete die Straße. Die Gegend war düster und verlassen. Zwei Kids auf BMX Rädern tauchten aus einer Einfahrt auf, machten ein paar Moves und verschwanden wieder. Ein Eichhörnchen huschte ein paar Meter vor ihr über den Gehweg. Sonst tat sich nichts. Hier war absolut tote Hose.
    Die Stimmung machte ihr zu schaffen. Sie hatte einfach die Arschkarte hier. Am liebsten hätte sie einfach losgeheult und ihre Mutter angerufen und wäre nach Hause gefahren. Aber sie hatte keine Ahnung, wie sie es in einem Raum zusammen mit ihrer Mutter aushalten sollte,

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