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Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Titel: Spines - Das ausradierte Ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherm
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kommen.
    Vor dem Ausschuss hatte er keine Angst. Bei Untersuchungsausschüssen gab es immer die Möglichkeit, solange zu taktieren und zu verzögern, bis das Interesse daran erlahmte oder bis man durch Hintergrundoperationen die Kuh vom Eis geholt hatte. Das würde er sicher auch diesmal schaffen. Aber J. J. war gefährlich. Wenn er weiter in seinem Umfeld und in seiner Vergangenheit herumstocherte, bestand die Gefahr, dass er durch einen dummen Zufall herausbekam, von wem die Cayman Islands Kohle wirklich stammte.
    Im Prinzip konnte ihm das egal sein. Klar, die Sache würde ihm politisch den Kopf kosten. Aber er hatte dafür gesorgt, dass er auch nach seiner aktiven politischen Laufbahn nicht auf die Annehmlichkeiten des Lebens verzichten musste. Aber der Organisation, die ihm das Geld als Anerkennung für die Unterstützung von Operationen auf deutschem Territorium gegeben hatte, war es mit Sicherheit nicht gleichgültig, wenn diese Operationen publik gemacht wurden. Die CIA hatte für diese Art von Publicity sicher nicht das Geringste übrig.
    Aber er würde es bestimmt schaffen, J. J. abzuservieren. Mit Sicherheit gab es auch bei Becker einen wunden Punkt, der ihn zur Aufgabe zwingen würde. Sobald er wieder in Berlin war, würde er sich mit dem Wirtschaftsminister treffen. Der war ihm noch einen Gefallen schuldig und hatte seine Finger überall drin. Er würde sicher einen Weg finden, J. J. los zu werden. Wenn nicht der Wirtschaftsminister, wer sonst? Was bildete sich dieser Becker eigentlich ein? Glaubte er allen Ernstes, dass er eine Chance gegen ihn hatte?

* * *
    Sarah stellte sich auf die Zehenspitzen und lehnte sich nach vorne gegen das Waschbecken, damit sie ihren Bauch im Spiegel sehen konnte. Sie hatte wirklich zugenommen. Gut eineinhalb Kilo mehr, schätzte sie. Für so was hatte sie einen Blick, genauer als jede Waage. Scheiße, nichts passte mehr. Sie zerrte an ihrem Rock, der an ihrem Körper spannte und fühlte sich wie eine fette Schlampe.
    Sie hatte versucht, unterwegs in einem Hallenbad zu duschen, aber der Geruch in der Eingangshalle war so eklig gewesen, dass sie lieber darauf verzichtet hatte. Jetzt fühlte sie sich siffig und versuchte es mit einer Katzenwäsche auf dem Uni-Klo. Das Ergebnis war ein ziemliches Chaos in der Sphäre der Papierhandtücher und auf dem Boden – aber was soll’s, sie fühlte sich danach frischer und zuversichtlicher, auch wenn sie aussah, als wäre sie unter einem Rasen-Sprinkler durchgelaufen. Sie ignorierte einfach die missbilligenden Blicke der paar Tussis, die um diese Zeit durch das Klo kreuzten und auf spitzen Schuhen durch die Wasserpfützen zu den Kabinen navigieren mussten.
    Die Rechner in der Institutsbibliothek waren noch nicht übermäßig frequentiert. Sie konnte sich einen ruhigen Platz am Fenster aussuchen und fand auch einen neueren Rechner, der mit einem SD-Kartenleser ausgestattet war. Als sie sich unter den Tisch beugte und die SD-Card in den schmalen, kurzen Schlitz fummelte, spürte sie ihr Herz klopfen. Es kam ihr schon verdammt spannend vor, sich in die Speichertiefen dieser kleinen Plastikkarte hineinzuschnüffeln.
    Der Computer reagierte nicht. Er fand das verdammte Ding einfach nicht. Normalerweise erkannten die Rechner es automatisch, wenn man ihnen eine SD-Card rein schob. War die Karte vielleicht leer oder kaputt? Sie zog die SD noch mal raus und setzte sie neu ein. Bingo, jetzt checkte der Rechner die Anwesenheit des Speicherchips und öffnete ein Fenster, das den Inhalt der Speicherkarte anzeigte.
    Die Karte war randvoll mit Daten. Jede Menge Stoff. Vor Spannung lief ihr eine heiße, prickelnde Welle vom Nacken bis in den Bauch. Sie musste sich richtig anstrengen, um ihre Erregung in den Griff zu bekommen. Wow, nicht schlecht! Ihr Vater zeigte auf dieser Karte seine ordentliche Seite. Es war alles perfekt in Ordnern organisiert. »Fotos GDT_Labor_1408« hieß einer davon. Er enthielt eine Reihe von Nahaufnahmen von Laborgerätschaften, irgendwelche Zentrifugen, Mikroskope und dergleichen. Sie konnte nicht genau erkennen, worum es sich handelte, dazu wusste sie einfach zu wenig über Labortechnik. »Akten_2708« enthielt Fotos von Dokumenten, bunt gewürfeltes Zeug, wie ihr vorkam, Ergebnisse von Laboruntersuchungen, Excel-Sheets, die aussahen wie Parameterlisten von Experimenten. Aber die erfassten Parameter und Messgrößen sagten ihr nichts. Sie konnte nicht sagen, worum es dabei ging. Daneben gab es Arztberichte und eine Reihe

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