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Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Titel: Spines - Das ausradierte Ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherm
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wurden transparent – faszinierend für Sarah, die manchmal dazu neigte, Worte auf die Goldwaage zu legen.
    Mark wohnte im ehemaligen Ostteil der Stadt in einer gesichtslosen Gegend mit hässlichen Plattenbauten. Die Straßen waren zum Teil noch in einem erbärmlichen Zustand. Und ein nicht enden wollender Nieselregen setzte der Stimmung die Krone auf. Sie fühlte sich wie im Krieg. Der Twingo ächzte bedrohlich und die Scheibenwischer scharrten über die dreckige Windschutzscheibe und schafften es kaum, die zähe Mischung aus Regen und Schmutz beiseite zu schieben.
    Der Block in dem Mark wohnte, lag am Ende einer Sackgasse. Als Sarah in die Straße einbog, kam ihr langsam ein schwarzer Mercedes S-Klasse entgegen. Im Vorbeifahren erkannte sie Mark auf dem Beifahrersitz. Neben ihm saß ein schlanker Mann, der eine helle Krawatte trug. Spontan wendete Sarah ihren Twingo und hängte sich an den Mercedes dran. Schlagartig ging ihr Puls schneller und ihre Neugier stieg in einen Bereich, in dem ein angenehmes Kribbeln in ihren Eingeweiden einsetzte.
    Sie hatte Mühe, dem Mercedes zu folgen, der mit hohem Tempo Richtung südwestliche Stadtgrenze fuhr. In der Stadt war der Renault Twingo noch halbwegs brauchbar, aber je weiter sie die Stadt hinter sich ließen, desto waghalsigere Fahrmanöver musste sie ausführen, um die Rücklichter des Mercedes nicht aus den Augen zu verlieren.
    Das Kopfsteinpflaster des Brandenburger Umlands war eine Katastrophe, ein Abenteuer, zumal bei Nacht. Der Renault Twingo war kurz vor dem Auseinanderfallen. Die Scheinwerfer der Kiste hatten wahrscheinlich auch schon bessere Tage gesehen. Vielleicht aber auch nicht, vielleicht waren sie einfach schon ab Werk Scheiße gewesen. Aber Sarah wollte jetzt auf keinen Fall aufgeben und umkehren. Sie kurbelte wie wild am Lenkrad, um das Auto auf Kurs zu halten, während die Straße immer mehr zu einer Schlaglochpiste wurde.
    Sie folgte dem schwarzen Mercedes, der ein paar hundert Meter vor ihr fast mühelos über die Piste zog, jetzt schon fast eine Stunde, seit sie sich vor Marks Haus an ihn rangehängt hatte.
    Die Landschaft um sie wurde immer einsamer. Die letzte Ortschaft lag bestimmt bereits zehn Kilometer hinter ihnen, und die Straße schien sich langsam im Nichts zu verlieren. Sarah schaltete die Scheinwerfer aus, weil sie Angst hatte, dass dem Mercedesfahrer auffallen könnte, dass er verfolgt wurde. Jetzt knallte der Twingo ohne jede Vorwarnzeit in die Schlaglöcher. Seine mickrigen Sitze gaben jeden Schlag ohne Umweg an Sarahs Wirbelsäule weiter.
    Plötzlich waren die Rücklichter des Mercedes verschwunden. Sie verlangsamte das Tempo und fuhr vorsichtig weiter. Nach ein paar hundert Metern hielt sie am Rand der Piste an und stieg aus. Sie lehnte die Tür nur an, um keinen unnötigen Lärm zu machen und ging zu Fuß weiter. Die Straße verlief völlig gerade. Der Mercedes musste also entweder die Lichter ausgemacht haben oder er war von der Straße abgebogen. Und richtig, das Fahrzeug stand ein paar Meter weiter im Wald am Rand eines Forstwegs hinter einer Reihe von Büschen.
    Sarah ging vorsichtig auf den Wagen zu. In der klaren Nachtluft nahm sie den Geruch von Gummi, Benzin und Schmieröl, den die schwarze Limousine verströmte, überdeutlich wahr. Außer dem leisen Knacken des abkühlenden Motors und den Geräuschen des Walds hörte sie nur ihre eigenen Schritte. Die S-Klasse war verlassen. Von den Männern weit und breit keine Spur.
    Sarah ging den Forstweg entlang tiefer in den Wald. Sie musste unbedingt herausfinden, was die beiden Männer mitten in der Nacht hier suchten. Was zum Teufel trieb einen Typen wie Mark um diese Zeit hierher ins völlige Nichts?
    Als sie ungefähr zwanzig Minuten durch den Wald gelaufen war, ohne eine Spur von den beiden zu finden, machte sie kehrt, um zu ihrem Auto zurückzugehen. Plötzlich hörte sie in unmittelbarer Nähe vier schnell aufeinander folgende dumpfe Knallgeräusche. Sie erschrak so heftig, dass ihr Herz für einen Augenblick stehen blieb und dann wie wild zu rasen begann. »Schüsse«, fuhr es ihr durch den Kopf, »irgendein verdammter Idiot ballert hier mitten in der Nacht durch die Gegend!« Sie fühlte, wie eine Welle von Panik zum Sprung auf sie ansetzte und stemmte sich mit all ihrer Kraft dagegen. Sie durfte jetzt auf keinen Fall austicken. »Nicht jetzt, nicht jetzt!«, wiederholte ihre innere Stimme unnachgiebig und streng.
    Nach ein paar Sekunden hatte sie ihren wilden Herzschlag

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