Spinnen füttern
ejakulierte, sobald sie ins Zimmer trat. Ein Kunde stellte sich als Freund ihres Vaters heraus. Sie versprach, ihn nicht bei seiner Frau zu verraten, er versprach, sie nicht bei ihrem Vater zu verraten, so einfach war das. Aber als sie gehen wollte, versuchte er an der Tür, ihr Gesicht zu berühren. Hör zu, sagte sie, ich rede seit Jahren nicht mehr mit meinem Vater. Ich kann mir also leisten, wenn er es erfährt. Aber du – kannst du dir eine Scheidung leisten?
Jeweils am Monatsende nahm sich Sally einen Mietwagen und fuhr mit zwei Kolleginnen in ein Städtchen am Südufer, wo es einen großen Schlachthof mit vielen schlecht bezahlten Arbeitern gab. Zu dritt nahmen sie sich zwei Zimmer in einem billigen Motel und empfingen die Schlachter, die nur knapp die Hälfte des normalen Preises bezahlen mussten. Eine Wohltätigkeitsveranstaltung nannte Sally es, ihre Haltung in dieser Sache sei religiös, schließlich, erklärte sie, habe auch Maria Magdalena immer als Prostituierte gearbeitet, auch noch nachdem sie Jesus kennengelernt habe. Erst recht nachdem sie Jesus kennengelernt habe, meinte sie und kicherte. Maggie, also Magdalena, hieß das Mädchen, das diese Idee gehabt hatte, sie nannten sich also die Magdalena-Girls. Bei den Schlachthausarbeitern hießen sie einfach die Magdalenas.
Die meisten dieser Arbeiter kommen von weit her, erzählte Sally. Sie haben niemanden, der Lohn ist so gering, dass sie nie aus dieser Stadt herauskommen. Viele sind ungebildete Arbeiter vom Land, aber einige haben sogar studiert. Alles Mögliche. Einmal habe ich sogar einen Arzt kennengelernt, sagte sie, aus Osteuropa. Er hatte einen starken Akzent, war aber nicht um Worte verlegen. Er kam ins Zimmer, seine ganze Art war freundlich, ja elegant. Er hatte sich fein gemacht und rasiert. Das tun übrigens fast alle, sie machen sich schick, als wäre das Ganze ein Rendezvous. Sie nehmen uns sehr ernst, hier und da riecht man einen Spritzer Parfüm. Wenn man es nicht wüsste, käme man nie auf die Idee, dass sie den ganzen Tag Tiere zersägen und bis zu den Knien im Blut stehen. Beim ersten Mal hat mir der Arzt eine Flasche Wein und Blumen mitgebracht, dann hat er einen Sender mit Klassik im Radio gesucht. Er hatte seine eigenen Kondome dabei. Er wusch sich die Handflächen, die Daumen, die Handgelenke, er ließ Wasser darüberlaufen und sang eine Arie, und als er aus dem Bad heraustrat, streckte er die Hände aus wie ein Chirurg. Er öffnete die Flasche und reichte mir ein Glas. Der Mann war so galant, dass er sogar Gläser mitgebracht hatte.
Als er im Bad war, warf ich einen Blick in seine Tasche. Wenn die Kunden schon ausgezogen sind, überprüfe ich auch immer Hosen- und Jacketttaschen. Man darf nichts dem Zufall überlassen. Ich zog das Buch heraus, das er dabeihatte, es war Hašeks Braver Soldat Schwejk . Ich lachte und dachte, wie kommt dieser Arzt am Ende der Welt dazu, Hašek zu lesen? Ständig treffe ich belesene Leute an den verrücktesten Orten. Wie dem auch sei, er sollte natürlich nicht merken, dass ich in seiner Tasche gewühlt hatte. Ich habe ihn aber gleich gefragt, ob er Tscheche sei. Erst hat er es verneint. Ich war mir aber ziemlich sicher. Er wollte wissen, wie ich darauf gekommen sei. Ich sagte, er erinnere mich an meinen Onkel. Und, ist dein Onkel Tscheche?, fragte er. Ja, sagte ich, er hieß Jaroslaw. Der Arzt staunte und war verwirrt. Und sein Nachname?, fragte er. Hašek, sagte ich. Er lachte und schenkte mir Wein ein, und er sagte, du bist eine vorsichtige Frau. Er hob das Glas, wir stießen an und tranken. Dann sang er noch eine deutsche Arie und trank immer weiter, bis er einschlief. Er musste schnell aus dem Bett geschafft werden, draußen warteten noch weitere Arbeiter. Ich rief also die beiden Albaner herein, die immer am Monatsende herkommen und jedes Mal versuchen, uns zu einem Dreier zu überreden. Aber wir haben halt unsere Regeln, und wir kennen unsere Kunden gut. Analverkehr kommt nicht infrage, wir nehmen immer nur einen, und die überwachte Pflichtdusche … Ich rief also die beiden Türken herein oder Albaner oder was auch immer sie waren. Sie bringen jedes Mal Olivenseife mit und Feigen und andere Leckereien, die ihnen ihre Mutter aus der Heimat schickt. Es sind lustige und harmlose Typen vom Land, ihre Hände sind groß und rau, sie sind treu und dankbar. Sie trugen den Arzt nach unten, legten ihn in ihren Wagen und brachten ihn weg.
Diese Arbeiter mussten wir aber erst einmal zähmen.
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