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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
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Bolero zusammen und unterhielten uns über den Zustand unserer Welt.
    Wir leben in einer minderwertigen Welt, sagte ich zu ihm.
    Ganz im Gegenteil, erwiderte er. Gott hat jedem von uns ein Lichtchen eingepflanzt. Ich habe in meinem Leben mit vielen Menschen Sex gehabt, und ich habe gefunden, dass in jedem Einzelnen ein Strahlen verborgen ist, eine Stelle, die man zum Leuchten bringen kann, wenn man sie nur richtig berührt.
    Du hast dieses Leuchten gesehen?, fragte ich.
    Natürlich. Ich sehe es ständig. Warum sonst schlafen die Menschen am liebsten in der Nacht miteinander? Es geht um das Leuchten. Es ist wirklich.
    Was du nicht sagst, antwortete ich.
    Hör zu, sagte die Sex-Spinne. Soll ich dir mal erzählen, warum ich jetzt darauf bestehe, dass man mich Mani nennt?
    Schieß los, sagte ich und widmete mich dem Salat und Fisch auf meinem Teller.
    Nun, ich habe mal eine Kundin mitgenommen, eine wunderschöne ältere Frau, sie war Professorin für Geschichte oder Religion oder so etwas, vielleicht auch für beides. Wir haben uns höflich ein bisschen unterhalten, dann wurde es etwas tiefgründiger und philosophisch, und sie wollte wissen, woher ich komme. Als ich ihr sagte, dass ich Perser bin, fing sie sofort an, über Mani zu sprechen, den Propheten Mani. Natürlich kenne ich den, sagte ich zu ihr. Nun, sagte sie, dann kennen Sie ja auch den Mythos von den zwei Welten. Ja, auch davon habe ich gehört. Aber wollen Sie ihn nicht noch einmal erzählen?
    Und so erzählte sie: dass es am Anfang zwei Welten gegeben habe, eine Welt der Finsternis und eine Welt des Lichts. Sie existierten gleichzeitig und wussten nichts voneinander. Doch eines Tages entdeckte die finstere Welt das Licht der hellen in seiner ganzen Pracht, und sie beschloss, die Welt des Lichts anzugreifen, um sie sich einzuverleiben. Die Welt des Lichts wusste, dass sie ihre Reinheit einbüßen würde, wenn die Welt der Finsternis sie berührte. Und so sandte der Gott der lichten Welt seinen Sohn aus, um die Welt der Finsternis auf ihrem eigenen, finsteren Territorium zu schlagen und einer Berührung und Verunreinigung zuvorzukommen. Der Sohn legte eine strahlende Rüstung an, nahm sein Schwert und flog davon. Doch als er die Finsternis erreichte, hatte er nichts zu lachen. Sie vermöbelte ihn und nahm ihn auf und zersprengte sein Leuchten in tausend winzige Lichter, und diese Lichter wurden über die ganze finstere Welt verstreut.
    Und dann?, fragte ich.
    Und dann, sagte die Sex-Spinne, sah ich in den Rückspiegel und sagte zu der Professorin: Jedes Mal, wenn ich eine Dame sehe, die so schön ist wie Sie, dann sehe ich dieses Licht, und ich weiß, dass es da draußen eine andere, viel schönere Welt gibt. Ich fuhr sie nach Hause, sie lud mich auf eine Tasse Kaffee ein. Eine wunderschöne Frau mit langen Beinen, lauten Lustschreien und einem großen Licht, das in ihrem Inneren leuchtete …
    Einmal fuhr ich auf der Autobahn in die Innenstadt zurück, als ich ein Taxi mit einem Reifenschaden am Fahrbahnrand entdeckte. Es war die Sex-Spinne, ich hielt an, um ihm zu helfen. Aber bevor ich noch aussteigen konnte, kam er an mein Fenster und gab mir die Adresse eines Restaurants. Ich sollte »Larry« abholen, er meinte, es sei dringend.
    Ich fuhr, so schnell ich konnte, denn es schien der Sex-Spinne einiges zu bedeuten. Ich fand das Restaurant. Ein Valet kam und fragte mich, ob ich bestellt sei. Larry, sagte ich. Der Valet grinste und verschwand im Hotel.
    Es schien ein edler Laden zu sein, die Tür wurde von zwei Muskelprotzen in Anzügen und Sonnenbrillen bewacht. Ich wartete, bis eine mächtige Frau mit ausgesprochen langen Beinen erschien. Sie sah das Taxi und kam mit schwingenden Hüften auf mich zu. Sie war umwerfend.
    Der Valet öffnete ihr die Tür, schon saß sie im Wagen. Entschuldigen Sie, sagte ich, aber dieses Taxi ist für Larry reserviert. Sind Sie Larry?
    Sie sah mir durch den Spiegel in die Augen und sagte mit einer schweren, männlichen Stimme: Im Grunde genommen, ja.
    Mani sei leider unabkömmlich, erklärte ich freundlich, er habe einen Platten.
    Perfekt, sagte sie, heute läuft wirklich alles richtig. Er kommt immer zu spät, und ausgerechnet heute, wo ich ihn am nötigsten brauche … Es war ein schlimmer Abend. Und Sie sind ein Freund von Mani?
    Ja, antwortete ich.
    Na ja, ich hoffe, dass Sie zumindest einen schönen Tag haben. Bevor ich darauf eingehen konnte, wiederholte sie: Ich hatte einen schlimmen Abend. Ich habe gedacht, ich würde

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