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Spinnenfalle

Titel: Spinnenfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Schindler
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eigentlich Euler (ist aber - leider, sagt er - mit dem berühmten Mathematiker nicht verwandt).
    »Warum denn nicht? Der Typ kriegt sein Gehalt dafür, dass er uns Mathe beibringt, also soll er das auch tun!«
    Laura und ich glotzten Martha verdattert an, aber irgendwie hatte sie recht.
    »Wenn wir es zu dritt machen - und vielleicht machen ja noch ein paar aus dem Kurs mit -, dann muss er einsehen, dass es keine einzelne Doofheit ist, sondern ein allgemeines Nichtverstehen«, dozierte sie.
    Deshalb hörten wir uns im Kurs um und fanden noch zwei Mädchen und einen Jungen, die bereit waren, den Bittgang zu unterstützen.
    Der Uhu sah sehr eulenhaft drein und blinzelte hinter
seiner großen Brille, während wir ihm unser Anliegen vortrugen, und dann meinte er, wir hätten uns schon früher an ihn wenden sollen.
    »Aber da bestand ja noch Hoffnung«, sagte Laura, und ich konnte sehen, wie sich der Uhu ein Grinsen verkneifen musste.
    Er machte also für alle eine Wiederholungsstunde und dann gab er uns Extra-Aufgaben, an denen wir überprüfen sollten, ob wir jetzt mehr kapiert hatten.
    Am Abend saß ich mit den Extraaufgaben an meinem Schreibtisch und versuchte, zuerst mit und dann ohne Abkucken die Aufgaben zu lösen.
    Da klopfte es leise.
    »Komm rein, Dani, aber mach schnell, ich bin beschäftigt.«
    »Bin ich nicht Daniel, wollte ich nicht stören«, sagte Ljuba.
    Das war das erste Mal, dass sie bei mir angeklopft hatte. Ich drehte mich um und fragte: »Kann ich dir irgendwie helfen?«
    Sie kam näher und warf einen Blick auf mein aufgeschlagenes Heft. »Wollte ich nur fragen, ob du noch Wäsche hast. Waschmaschine noch nicht voll.«
    Dann tippte sie auf die Zeichnung, die mir so viel Kopfzerbrechen bereitet hatte, und sagte ziemlich überheblich: »Musst du mit rechter Winkel probieren.«
    »Danke«, sagte ich, halb dankbar und halb angesäuert, weil sie sich ungefragt eingemischt hatte. »Nee, ich hab nichts zu waschen.«
    »Ist gut«, sagte sie und zog die Tür hinter sich zu.
    Ich sah auf die Heftseite.
    Ljuba hatte recht. Die 90° waren die Lösung!
    Ich atmete tief durch und machte mich an die nächsten Dreiecke - und zu meiner großen Erleichterung
klappte es jetzt zwar noch nicht problemlos, aber da war definitiv ein Silberstreifen am Horizont.
    Das Blöde war nur, dass ich eigentlich Ljuba nicht zu Dank verpflichtet sein wollte. Aber warum das so war, konnte ich nicht genau sagen. Es war so eine Art Unwohlsein, so eine Art Flauheit im Magen.
    Sie behandelte mich anders als die anderen in der Familie. Bei denen machte sie einen auf lustig, hilfsbereit, freundlich. Mir gegenüber war sie unfreundlich, kühl, abweisend - manchmal regelrecht verächtlich.
    Aber ich hatte ihr doch gar nichts getan!
    Sosehr ich auch meine Erinnerung durchforschte - mir fiel keine Situation ein, wo ich sie gedemütigt oder sonst wie fies behandelt hätte.
    Ich fühlte mich hilflos.
    Sie machte sich in unserer Familie breit und drückte mich dabei an die Wand.
    Warum? Was hatte ich ihr getan?
    Ich klappte das Heft zu und kuschelte mich auf dem Bett in meine Flickendecke. Schon den ganzen Tag hatte ich mich auf High Noon gefreut - jetzt konnte es losgehen.
    Tante Henny fand das auch und schmiegte sich an mich.
    Doch noch während Gary Cooper nach Mitkämpfern suchte und einsam die Straße in dem Westerndorf entlangging, fielen mir die Augen zu.
    Mathe macht müde.
    Irgendwann in der Nacht wachte ich auf, weil mir so war, als hätte jemand meine Zimmertür geöffnet.
    War da eine Gestalt neben meinem Bett? Beugte sich jemand über mich?
    Ich lag in der fast absoluten Dunkelheit starr vor Angst unter meiner Decke und klammerte mich daran fest.
    War das ein Luftzug? War jetzt die Klinke mit einem leisen Klick wieder eingerastet?

    Ich war mir nicht sicher, ob ich das geträumt hatte oder nicht, aber nun war ich ganz wach und merkte, dass ich noch meine Klamotten anhatte.
    Ich zog mir schnell meinen Schlafanzug an und huschte über den dunklen Flur ins Bad und drückte auf den Lichtschalter.
    Nichts. Das Licht ging nicht an.
    Ich ging zurück und knipste das Flurlicht an.
    Ich putzte mir mechanisch die Zähne und erst beim Ausspucken sah ich in den Spiegel und fuhr entsetzt zurück.
    Jemand hatte mit roter Farbe rote Kleckse daraufgemalt. Sie sahen wie riesige Blutstropfen aus.
    In dem trüben Funzellicht, das vom Flur hereindrang, sah ich mein fahles Gesicht mit den entsetzt aufgerissenen Augen zwischen den roten Farbflecken - und

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