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Spinnenfalle

Titel: Spinnenfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Schindler
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mir schwer, das zuzugeben) war ich, was die Zwillinge anging, mittlerweile ganz ihrer Meinung. So ein doppeltes Lottchen sah zwar süß aus, aber es war bestimmt besser, wenn die beiden nicht mehr verwechselt wurden und wenn jede von ihnen ihre eigene kleine Persönlichkeit zeigte.
    Aber das wollte ich nicht laut sagen.
    Erstens wusste ich inzwischen, dass Ljuba auf Anerkennung von mir keinen Wert legte, sondern ganz im Gegenteil meine Bemerkungen meistens ignorierte.
    Zum andern fand ich es abstoßend, wie sie unsere Familie gewissermaßen aus dem Hinterhalt manipulierte.
    Und Dani und meine Eltern merkten das noch nicht mal!

6
    I m Mai trat meine Mutter wieder ihre alte Stelle an, die Zwillinge wurden nachmittags von Ljuba betreut und alles andere lief so weiter wie immer.
    Oder nicht?
    Winzige Kleinigkeiten schienen plötzlich anders. Immer öfter bestimmte Ljuba, was gegessen wurde. Sie sprach sich zwar mit meiner Mutter ab, aber wenn sie auf dem Markt oder bei einem Sonderangebot etwas entdeckte, das sie gut fand, schmiss sie den Plan einfach um. Dann gab es gekochte Rote Bete oder Weißkohl oder eingelegte Pilze, und das schmeckte zwar nicht schlecht, wirklich nicht, aber es war doch etwas Fremdes und - was ich schlimmer fand - ein Beweis für ihre Eigenmächtigkeit, weil sie sich nicht an Abmachungen hielt und einfach tat, was sie wollte.
    Doch Mama war so erleichtert, weil im Haushalt alles flutschte, dass sie nie Einspruch erhob. Und mein Vater aß ja meistens nur abends zu Hause, und da achtete Ljuba sehr darauf, dass es oft seine Lieblingsessen gab, die hatte sie sich schnell gemerkt.
    Damit wir auch mal unsere Lieblingsessen wie Milchreis mit Zimt und Zucker oder Pfannkuchen mit Apfelmus bekamen, musste ich immer vorher anmelden: »Morgen koche ich.«
    Sie lächelte dann zwar, aber ich spürte ganz genau, dass ihr das nicht recht war.

    Sie wollte … sie wollte sich unentbehrlich machen.
    Sie wollte unbedingt alles bestimmen. Das war es.
    Als mir das so richtig aufging, wurde ich von einer Welle der Hilflosigkeit und der Wut überrollt.
    Sie war nur das Au-pair-Mädchen, verdammt noch mal, und nicht die Mutter oder die große Schwester von den Zwillingen. Aber sie benahm sich wie eine Kombination aus beidem.
    Meine Mutter merkte es nicht oder wollte es nicht bemerken, und solange mein Vater das bekam, was er mochte, machte er sich wahrscheinlich null Gedanken darüber.
    Und ich wusste nicht, was ich dagegen unternehmen konnte.
    Da hatte ich aber noch nicht gemerkt, dass ich mittlerweile einen Verbündeten in unserer Familie hatte. Denn je mehr Ljuba das Regiment im Haus übernahm, desto unausstehlicher benahm sich Daniel ihr gegenüber.
    Wenn unsere Eltern nicht dabei waren, kritisierte er ihr Essen und schob angewidert den Teller weg, er machte sich über ihre übertriebene (wie er es nannte) Fürsorge für die Zwillinge lustig, und er beklagte sich, dass die Klamotten, die er anziehen wollte, immer im Wäschekorb steckten - obwohl er sie da gar nicht reingetan hätte. Es fehlte nur noch, dass er Russenwitze gemacht hätte. (So in dem Stil: Fahren Sie nach Moskau. Ihr Auto ist schon dort.) Was Ljuba auch tat, er hatte daran was zu meckern. Er trieb es so arg, dass er sogar mir auf den Zeiger ging - und da dämmerte mir plötzlich, dass er mein Verbündeter war.
    Einmal hing er in einem Sessel und las die Zeitung. Ljuba kam mit dem Staubsauger herein, schaltete ihn ein und wedelte mit dem Staubsaugerfuß vor seinem Gesicht herum, damit er die Füße hochnahm.

    Er sah sie gar nicht an, sondern knurrte nur: »Is was?«
    Sie machte den Staubsauger aus und sagte: »Bitte Füße hoch, damit ich kann saugen«, woraufhin Daniel die Füße auf den Tisch legte, was bei uns eigentlich nicht üblich ist.
    Ich stand im Durchgang zum Esszimmer und staunte.
    Ljuba saugte ungerührt weiter, stupste dann seine Füße an, und als er sie vom Tisch runternahm, saugte sie auch den Tisch ab, dann verschwand sie mitsamt dem Staubsauger.
    Ich musste lachen. »Sag mal, Dani, hast du sie nicht mehr alle?«
    »Kümmer dich um deinen eigenen Kram!«, tönte es hinter der Zeitung hervor.
    »Ich steh nicht auf Paschas«, blaffte ich ihn an. »Also benimm dich nicht wie einer.«
    »Sie kriegt doch Geld dafür, oder?«, blaffte er zurück.
    »Na und? Das ist noch lange kein Grund, sich so bescheuert aufzuführen!« Jetzt war er wirklich zu weit gegangen. »Lass dich bei so einem Benehmen bloß nicht von Mama oder Papa erwischen!

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