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Spinnenfalle

Titel: Spinnenfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Schindler
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hatte, von der Diagnose der Tierärztin und dass es um unseren Stubentiger schlecht stand.
    Dann heulte ich los. Die ganzen mühsam unterdrückten Tränen schossen raus und ich wurde von einem regelrechten Weinkrampf geschüttelt. Mama nahm mich in die Arme und sagte immer wieder: »Nur nicht die Hoffnung aufgeben, nur nicht die Hoffnung aufgeben …«
    Die Zwillinge heulten mit, entweder aus Trauer um Tante Henny oder aus Mitleid mit mir oder einfach vor lauter Schreck.

    Wir setzten uns im Wohnzimmer auf das Sofa, ganz eng aneinandergekuschelt, und erzählten uns, was für zähe Viecher Katzen sind und Tante Henny ganz besonders.
    Beim Abendbrot ging es heute stiller zu. Papa stellte Vermutungen an, was für ein Gift das gewesen sein könnte, kam aber auch zu keinem Ergebnis.
    Ljuba sagte: »Ist doch nur ein Tier. Menschen sind wichtiger als Katzen, ja?«
    Als sie dafür nur verständnislose Blicke erntete, merkte sie, dass sie sich mit dieser Bemerkung keine Fans gemacht hatte.
    »Ich verstehe das nicht«, spann Mama Papas Faden weiter. »In unserem Haus gibt es doch kein Gift - und was kann sie draußen bloß gefunden haben?«
    Niemand konnte das beantworten.
    Bedrückt ging ich ins Bett und sah Tante Henny vor mir, wie sie nach einem bunten Wollfaden haschte, der vor ihrer Nase baumelte, oder wie sie ihre Ledermaus jagte, die eine von den Zwillingen an einer Schnur im Zickzack hin und her zog, oder wie sie sich an mich schmiegte und mir beim Filmekucken half.
    Zuerst dachte ich, ich könnte vor lauter Angst um unsere Katze nicht einschlafen, aber nach diesem Nachmittag war ich so total fertig, dass ich irgendwann wegsackte.
    Am nächsten Morgen warteten wir ungeduldig, bis es acht Uhr war. Wir Kinder weigerten uns, vorher aus dem Haus zu gehen. Dann rief meine Mutter in der Praxis an und erfuhr, dass Tante Henny noch am Leben war.
    Sehr schwach, aber lebendig. Anscheinend hatte sie gerade noch rechtzeitig die Medizin bekommen. Wir grinsten uns erleichtert an und hoben die Daumen.

    Auf dem Weg zur Schule fragte ich mich zum tausendsten Mal, wie Tante Henny an das Gift gekommen war. Tief hinten in meinem Kopf saß ein rabenschwarzer Gedanke und flüsterte mir immer wieder zu: Ljuba.
    Aber warum?
    Weil sie Katzen nicht ausstehen konnte?
    Davon war bisher nichts zu merken gewesen.
    Weil sie damit mich treffen wollte?
    Weil sie wusste, wie sehr ich an unserer Katze hing?
    War Ljuba wirklich so grausam, dass sie eine Katze umbrachte, bloß um mich damit zu treffen?
    Aber darauf gab es keine Antwort.
    Falls sie etwas mit der Vergiftung zu tun hatte, hatte sie inzwischen bestimmt alle verräterischen Dinge wie Packungen, Fläschchen oder so etwas verschwinden lassen.
    Ich hatte zwar das böse Gefühl, dass sie irgendwie die Hand im Spiel gehabt hatte, aber ich hatte keine Beweise.
    Und als Tochter eines Staatsanwalts wusste ich, dass man ohne Beweise niemanden anklagen kann.

    Heute Nachmittag würde ich Tante Henny abholen.
    Sie sei zwar etwas wacklig auf den Beinen, aber mit guten Aussichten, wieder ganz gesund zu werden, hatte Dr. Michels gesagt.

23
    D rei Tage später kam es wieder zu einem Eklat.
    Die alten Fotoalben mit den Jugendfotos meiner Eltern standen im Regal im Elternschlafzimmer zwischen dicken Bildbänden über berühmte Autorinnen und Autoren, Bibliotheken, Künstler und deren Ateliers und lauter solche Themen. Da die Alben dick waren und bunte Rücken hatten, fielen sie zwischen den vielen anderen Büchern gar nicht auf.
    Nachdem ich Ljuba beim Stöbern in meinen Alben erwischt hatte, hatte ich mal oben nachgeschaut, aber da schien nichts bewegt worden zu sein, und ich hatte das schon fast wieder vergessen.
    Doch dann kam ich an einem Mittwoch früher nach Hause, weil gleich zwei Lehrer krank geworden waren - Sommergrippe! - und man keine Vertretung für uns hatte auftreiben können.
    Wegen dem schönen Wetter hatten Martha, Laura und ich spontan beschlossen, ins Stadionbad zu gehen, und ich war nach Hause geflitzt, um mein Schwimmzeug zu holen.
    Weil ich es eilig hatte, benutzte ich die Kellertür. Im Haus war es still - offensichtlich waren alle unterwegs. Ich packte in meinem Zimmer Bikini, Badetuch und Kleinkram ein, schrieb einen Zettel für meine Mutter, dass ich ins Schwimmbad ging, und überlegte, dass ich auch noch was zu essen mitnehmen wollte.

    Da hörte ich ein dumpfes Geräusch und blieb wie angewurzelt stehen.
    Irgendwas war runtergefallen. War da ein Poltergeist am Werk?
    Eher nicht.

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