Spinnenfalle
verächtlich angrinste.
»Übrigens - Marlon sagt, du sollst ihn in Zukunft in Ruhe lassen. Er hat schon eine Freundin. Klar?«
Sie sah mich mit einem so eiskalten Blick an, dass es mich trotz des warmen Sommerabends fröstelte.
»Klar«, sagte sie gedehnt. »Brauch ich keinen kleinen Jungen.«
21
I n der nächsten Nacht träumte ich schlecht.
Als ich aufwachte, wusste ich nicht mehr, was genau es gewesen war, nur dass ich stundenlang vor etwas davongerannt war.
Vorsichtig betastete ich meinen lädierten Knöchel - aber der hatte den Traum nicht geträumt, der schien ganz okay.
Trotzdem verfolgte mich dieser Traumspuk - was war denn so schlimm, dass ich verzweifelt davor wegrannte?
Mir war doch nichts Schlimmeres passiert als ein verstauchter Knöchel - woher kam also die Panik? Wieso fühlte ich mich bedroht?
Ich rappelte mich hoch, schlurfte ins Bad und blieb wie angewurzelt stehen.
Mein teurer Nagellack - der erste, den ich mir je gekauft hatte - war umgefallen und aller Lack war ins Waschbecken gelaufen. Auf den ersten Blick sah es aus wie Blut.
Ich schnappte nach Luft, hielt mich am Türrahmen fest, schloss die Augen und zählte ganz langsam bis zehn.
Doch als ich sie wieder aufmachte, lief da immer noch die blutrote Spur in den Abfluss.
Ich wusste, dass ich den Nagellack weder auf das Bord gestellt noch ihn überhaupt in den letzten zehn Tagen benutzt hatte. Es war also ganz klar, wer die Sauerei veranstaltet hatte!
Ich machte auf dem Absatz kehrt und stürmte die Treppe nach oben, so schnell mein blöder Fuß mich ließ.
Schnaufend stand ich in der offenen Küchentür und sah Mama, die Wasser in die Teekanne goss, und Ljuba, die Toast aus dem Toaster holte.
Sie warf mir einen kurzen Blick zu und zuckte entschuldigend mit den Achseln.
»Oh, Alex, tut mir so leid. Ist mir passiert kleines Unglück. Kauf ich dir neu, ja?« Sie lächelte mich boshaft an.
Ich klappte den Mund wieder zu und drehte mich um. Sie hatte mir den Wind aus den Segeln genommen - wenn ich mich jetzt noch beschweren würde, klänge das albern. Schließlich hatte sie ihren Patzer zugegeben und Wiedergutmachung versprochen.
»Was ist denn passiert?«, fragte meine Mutter immerhin.
»Sie hat …«, fing ich an, aber Ljuba unterbrach mich schnell.
»Hat Alex Nagellack an Rand gestellt und bin ich gegen gestoßen«, sagte sie mit treuherzigem Augenaufschlag. »Kauf ich aber schnell neu.«
»Blödsinn«, sagte meine Mutter mit Nachdruck. »Wenn sie das Fläschchen so dumm hingestellt hat, ist das ihr Pech. So, und jetzt sieh doch bitte nach den Kleinen, ja, Ljuba?«
Ich stand stumm da, während Ljuba aus der Küche lief und mich mit einem funkelnden Blick bedachte.
Triumph? Boshaftigkeit? Um Entschuldigung bittend?
Jedenfalls hatte sie mich ausgetrickst. Wieder mal stand ich wie ein Trottel da, und sie war diejenige, die sich bemühte und freundlich war, während ich bloß an ihr herummeckerte.
Ich ging runter und überlegte verzweifelt.
Was, verdammt noch mal, hatte sie bloß gegen mich?
Zu den anderen war sie nett, um nicht zu sagen schweinefreundlich, bloß mir gegenüber benahm sie sich so gemein.
WAS zum Teufel hatte ich ihr getan? Oder - was hatte ich nicht getan? Was hätte ich tun sollen, um bei ihr gut angeschrieben zu sein?
Ich machte die Sauerei im Waschbecken mit Nagellackentferner weg und überlegte fieberhaft. Es musste doch irgendeinen Grund geben, weshalb sie mich ständig ins Unrecht setzte!
»Was hast du denn?«, fragte Laura in der großen Pause und bot mir eins von ihren Pausenbroten an, weil ich vor lauter Eile heute Morgen meins vergessen hatte. Marlon hatte eine Doppelstunde Sport, deshalb stand ich allein bei meinen Freundinnen.
»Ach, nix weiter«, sagte ich ausweichend und biss ins Käsebrot.
»Mach mir nichts vor«, sagte sie kauend. »Ich kenn dich. Irgendwas ist nicht in Ordnung.«
Plötzlich liefen mir die Augen über - ich heulte.
»Ihr glaubt mir ja doch nicht«, plärrte ich. »Anscheinend bin ich nicht ganz dicht. Ljuba behandelt mich echt mies, aber alle sind auf ihrer Seite und finden, dass ich übertreibe, mich irre oder ihr was Übles will. Ich kann nicht mehr!«
Jetzt heulte ich Rotz und Wasser.
Laura nahm mir das Brot ab, und Martha gab mir ein Papiertaschentuch, während ich mich weiter ausheulte.
»Na, na«, sagte Martha und zupfte sich nachdenklich an ihren langen Haaren. »Wir wissen doch, dass du nicht spinnst, und wir wissen auch, dass du nicht grundlos gemein zu
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