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Spinnenfalle

Titel: Spinnenfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Schindler
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wenige Radfahrer und Fußgänger waren oben auf dem Deich unterwegs, es gab kaum Autolärm, irgendwo läutete eine Kirchenglocke - und ich schlief ein.

    Als ich aufwachte, war es fast dunkel, also musste es schon nach zehn sein. Richtig, ein Blick auf meine Uhr bestätigte das: zehn Uhr zwanzig. Ich hatte fast drei Stunden geschlafen.
    Mir war kalt, ich fröstelte. Ich zog die Kapuzenjacke an, machte den Reißverschluss zu und schob mein Rad wieder die Böschung hoch.
    Dann fuhr ich langsam zurück - ohne Plan, ohne die leiseste Idee, wie ich die Situation retten könnte.
    Zu allem Überf luss hatte ich vor lauter Wut beim Wegrennen nicht mal einen Schlüssel mitgenommen.
    Ich überlegte, ob ich zu Marlon fahren sollte, aber das würde seine Mutter wahrscheinlich nicht so gut finden. Zu Martha oder Laura wollte ich auch nicht, die waren wahrscheinlich schon im Bett.
    Mann, ich tat mir leid.
    Plötzlich musste ich lachen. Ich saß auf dem Rad und lachte laut vor mich hin.
    Das Ganze war doch echt zu blöd.
    Wie war ich nur in diese Nummer reingeraten?
    Das Lachen blieb mir aber sofort im Hals stecken, als ich daran dachte, dass ich jetzt zu Hause klingeln musste.

    Ich schloss mein Rad am Zaun an und klingelte.
    Die Haustür flog auf und mein Vater stand da, eine dunkle Silhouette vor dem hellen Flurlicht.
    Klatsch!
    Es riss mir den Kopf zur Seite.

    Eine Ohrfeige.
    Das Wasser schoss mir in die Augen, teils vor Schmerz, teils vor Erniedrigung.
    Bei uns wurde nur in den allerseltensten Ausnahmefällen geschlagen, wenn unsere Eltern am Durchdrehen waren oder völlig hilflos oder so.
    »Entschuldige«, sagte er leise, »ich bin ausgerastet.« Und er wollte mich in die Arme nehmen.
    Ich riss mich los, rannte runter in mein Zimmer und schloss hinter mir ab. Heulend zog ich mich aus, verzichtete auf Zähneputzen und Waschen, weil ich dann vielleicht Ljuba im Bad in die Arme gelaufen wäre, und legte mich ins Bett.
    Kurz darauf pochte es leise an meine Tür.
    »Alex?« Die Stimme meiner Mutter. »Mach bitte auf. Wir müssen reden.«
    Ich schwieg.
    »Alexandra, bitte. Du hattest ja nicht unrecht mit dem, was du vorhin gesagt hast. Mach auf!«
    Ich stellte mich schlafend.
    Ich wollte nicht reden.
    Ich wollte meine Ruhe.
    Sie konnten mich mal. Jawohl, und zwar kreuzweise.
    Und während ich noch meine Wut in Worte zu formulieren versuchte, schlief ich ein.
    Ohne Albträume.
    Und ohne Tante Henny, die sich irgendwohin verkrümelt hatte. Wahrscheinlich ließ sie sich von irgendeinem gutaussehenden Kater hofieren.
    Treuloses Viech.
    Irgendwann in der Nacht träumte ich, eine Tür würde geöffnet. Sie stand weit offen und ich schwebte hindurch. Und da standen meine Eltern und Papa nahm mich in die Arme und Mama gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich
kuschelte mich ganz eng an beide an und alles war wieder gut.
    Aber dann klingelte der Wecker und ich schreckte hoch.
    Und wusste es wieder.
    Nichts war gut.

24
    I ch möchte nicht mehr darüber reden«, sagte ich am nächsten Morgen.
    Kathi und Kris stritten sich wegen des letzten Brötchens, Daniel las Zeitung, mein Vater war noch oben und Ljuba ließ sich nicht blicken.
    »Schätzchen, so geht das nicht. Natürlich müssen wir darüber reden«, sagte Mama mit ihrer Liebe-Mutter-Stimme, ganz begütigend und verständnisvoll.
    Aber ich hatte keinen Bock auf begütigend und verständnisvoll. Ich hatte null Bock auf diese Familie, die dauernd zu Ljuba hielt und so tat, als wäre ich ein Monster.
    Ich schmierte mir im Stehen ein Brot und machte die Biege.
    »Bis heute Mittag«, rief sie mir hinterher. Liebe Mütter geben nicht so schnell auf.
    Glücklicherweise schrieben wir heute keinen Test, denn ich war ziemlich durcheinander. Heute wäre mir sogar ein Deutschaufsatz schwergefallen. Stattdessen hörte ich zu, wie Marlon unseren Werbetext für ein Wok-Kochbuch vorlas und die Brandtner ihn dafür lobte.
    »Du beteiligst dich in letzter Zeit ja wirklich gut«, sagte sie. »Hast du endlich Tritt gefasst?«
    »Nee, eher hat er Alex angefasst«, höhnte Jonas.
    Die Brandtner ging langsam auf Jonas zu. »Hast du ein Problem damit, dass Marlon und Alexandra sich anfassen ?«,
fragte sie freundlich und einige in der Klasse kicherten.
    »Nee - äh, nein, eigentlich nicht«, stammelte Jonas und lief rot an.
    »Gut, sonst wäre ich jetzt nämlich angefasst «, sagte sie und grinste.
    Da kicherten noch andere.
    Ich saß stocksteif da und wäre gern ins nächste Mauseloch gekrochen.
    Aber Marlon

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