Spinnenfalle
Beliebtheit in unserer Familie und meinen schlechten Ruf, was sie betraf) schamlos ausgenutzt. Sie hatte genau gewusst, dass ich es nicht wagen würde, mich vor den anderen gegen sie zu stellen.
Der Schuss konnte zu leicht nach hinten losgehen, das hatte ich inzwischen ja oft genug erlebt.
Ich ging hinunter in mein Zimmer, legte mich aufs Bett und überlegte.
Wer war diese Ewa?
Woher kannte sie Ljuba?
Aus dem Sprachkurs?
Oder gehörte sie zu einem dieser Heimatvereine, in dem sich die Menschen aus fremden Ländern zusammenfanden, um unter ihresgleichen zu sein, alte Traditionen zu pflegen und so ähnliche Sachen?
Aber davon hätte sie doch mal erzählt. Oder nicht?
Ich machte einen Plan.
Morgen Abend wollte ich Ljuba folgen, wenn sie zu ihrem Sprachkurs ging, und sehen, ob diese Ewa da auch auftauchte.
Das Verfolgen würde aber gar nicht so einfach sein, denn Ljuba fuhr mit der Straßenbahn. Wenn ich dieselbe nahm, würde sie mich bemerken. Wenn ich mit dem Rad hinterherraste - möglicherweise auch.
Ich fragte Daniel. »Weißt du eigentlich, wo diese Sprachschule von Ljuba ist?«
»Nö.« Er stemmte unbeirrt seine Hanteln weiter. »Warum interessiert dich das?«
»Ach, nur so.«
»Nur so? Quatsch.«
Mist, jetzt brauchte ich einen Grund.
»Ein Mädchen aus meiner Klasse will Italienisch lernen. Und die einzige Sprachschule, die ich kenne, ist die von Ljuba.«
»Und die kennst du nicht«, sagte er und stemmte und stemmte.
»Stimmt.«
»Ich glaube, es ist die in der Obernstraße. Nicht die Berlitz School , sondern eine andere. Hab ich mal mitgekriegt, als sie mit Mama darüber gesprochen hat. So viele wird’s da ja wohl nicht geben.«
»Danke, Kumpel.«
»Da nicht für«, sagte er. Und stemmte und stemmte.
Am nächsten Tag sagte ich, ich würde bei Laura zum Abendbrot bleiben - und das tat ich auch. Lauras Familie isst aber nicht gemeinsam Abendbrot. Wir schmierten uns also ein paar Stullen und hörten weiter in ihrem Zimmer Musik.
Um halb acht verabschiedete ich mich und fuhr mit dem Rad in die Stadt. Ich schloss es hinter der Sögestraße an und lief an den Häusern der Obernstraße entlang und suchte nach einem Schild mit einer Sprachenschule. Dann fand ich es.
Dr. Meyers Blitzkurse
Englisch
Französisch
Spanisch
Italienisch
Deutsch für Ausländer
Ich trat ein paar Schritte zurück und sah an dem Haus hoch.
Im Erdgeschoss war ein Klamottenladen, die Schule war im zweiten Stock.
Ich sah auf die Uhr. Acht Uhr fünfzehn.
Um halb neun ging es los.
Gerade blieben zwei Leute vor der Tür stehen, der Mann drückte auf eine Klingel, die Frau drückte die Tür auf und weg waren sie.
Dann kam eine ältere Frau. Auch sie verschwand in dem Haus.
Danach kam eine junge Frau, superschick in Bermudas und T-Shirt in Kreisch-Pink.
Ljuba war das nicht. Aber auch nicht Ewa.
Ich lief auf der anderen Straßenseite vor den Schaufenstern auf und ab und sah darin gespiegelt, was sich an der Tür gegenüber tat. Acht Uhr zwanzig. Wieder verschwanden drei Leutchen hinter der Glastür.
Dann ein junger Rockertyp, dem ich nie zugetraut hätte, dass er freiwillig Grammatik und Vokabeln büffeln würde.
Wieder zwei Frauen, nein, eher Mädchen.
Und dann kam Ljuba aus der Richtung Domsheide angerannt.
Acht Uhr fünfundzwanzig.
Und dann zwei Mädchen in meinem Alter.
Huch? Kamen die wegen Nachhilfe für ihr Schulenglisch?
Nein, es ging bestimmt um Deutsch für Ausländer.
Während ich ihnen noch hinterherstarrte, kamen zwei ältere Herren, und danach kam niemand mehr.
Keine Ewa.
Blöd.
Ich wartete noch eine Viertelstunde, dann radelte ich gemächlich nach Hause. Ich wollte nicht länger über Ljuba oder Ewa nachdenken und legte Die Vögel von Hitchcock ein - Gruselspannung pur. (Ich weiß, es gibt viel härtere, neuere Gruselfilme wie Scream oder so, aber mir reicht der olle Hitchcock allemal.)
Nach dem Abspann war ich ziemlich müde und völlig ohne Plan, wie es weitergehen sollte.
Als ich die Nase aus meinem Zimmer streckte, um meine Badezimmerchancen zu checken, kam Ljuba aus dem Bad. Zuerst dachte ich, sie wollte mich übersehen, aber genau in dem Augenblick, als sie mich erreichte, zischte sie: »Du spionierst! Hinter mir her! Ich habe dich gesehen. Ekelhaft.«
Sie sagte eckel-haft .
Da hätte ich das Bömbchen hochgehen lassen und »Ewa« sagen können.
Aber ich war zu müde, und ich war mir auch nicht mehr sicher, ob es die gewünschte Wirkung gehabt hätte.
Ich sagte nur: »Du
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