Spinnenkuss: Elemental Assassin 1 (German Edition)
hatte nachgelassen, als er verstanden hatte, dass ich ihn nicht töten würde – zumindest nicht sofort. »Was willst du?«, fragte er wieder, diesmal schon mit festerer Stimme.
Ich stemmte meine Hände rechts und links neben ihn auf die Stuhllehnen und beugte mich vor, bis mein Gesicht auf derselben Höhe war wie seines.
»Die Festplatte. Ich will diese Festplatte. Die von Gordon Giles, auf der sich die Beweise für die Veruntreuung von Halo Industries befinden. Die Festplatte, die deine Chefin so dringend in die Finger kriegen will. Das ist deine Versicherung, oder, Chuck? Falls die Luftmagierin austickt, musst du diese Informationen nur an Mab Monroe schicken. Und dann wird sie sich für dich um den Elementar kümmern.«
Carlyle antwortete nicht, aber das Zucken in seinem Auge lieferte mir die Bestätigung. Der Vampir musste wirklich dringend an seinem Pokerface arbeiten.
»Er hat die Festplatte?«, fragte Donovan Caine hinter mir. »Bist du dir sicher?«
»Oh, ich bin mir sicher«, antwortete ich, ohne die Augen von dem Vampir zu nehmen. »Sag mir, wo sie ist, Chuck. Jetzt.«
Carlyles Augen huschten nach links, als suche er nach einer akzeptablen Lüge, und er leckte sich die Lippen. »Sagen wir, Sie haben recht. Sagen wir … ich hätte die externe Festplatte unter Gordons Sachen gefunden, als ich sie für meine Chefin durchsucht habe. Was ist für mich drin, wenn ich sie Ihnen gebe?«
»Du stirbst schnell, Chuck, statt gefoltert zu werden. Das ist alles, was du bekommst.«
Er schnaubte abfällig. »Das ist nicht besonders viel, wissen Sie.«
Ich zuckte mit den Achseln. »Kommt drauf an, wie sehr du auf Schmerzen stehst.«
Ich richtete mich auf und hob meine Klinge hoch genug, dass er sie sehen konnte. Dann lehnte ich mich wieder vor und fuhr ihm mit der Spitze des Messers über die Wange – nicht fest genug, um ihn zu verletzen, aber so, dass er das kalte Metall spüren konnte.
Carlyle lachte leise. »Sie haben nicht genug Mumm …«
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen.
Ich schnitt mit dem Messer eine Linie von seiner linken Wange aus, unter seinem Kinn hindurch und auf der anderen Seite wieder nach oben. Die Klinge durchtrennte nicht seine Halsschlagader, aber der Schnitt war tief genug, um wirklich wehzutun. Blut tropfte wie scharlachrote Tränen auf den Nadelstreifenanzug des Vampirs. Ich hatte in unserem kleinen Spiel gerade den Einsatz erhöht.
Aber Carlyle überraschte mich. Er fing nicht an zu betteln oder um Gnade zu flehen. Stattdessen unterdrückte der Vampir den Schrei. Seine gelben Reißzähne traten hervor, als seine Augen wieder nach links huschten. Ich runzelte die Stirn und fragte mich, warum er ständig zur Seite sah statt auf mich oder mein Messer. War ich ihm nicht beängstigend genug? Im Moment konnte doch nur wenig wichtiger sein als die Klinge, die ich gerade über seinen Hals gezogen hatte. Eigentlich so gut wie gar nichts. Also drehte ich mich um und folgte seinem Blick zum Kamin. Hmm …
Ich benutzte das Hosenbein des Vampirs, um das Blut von meinem Messer zu wischen, und trat zurück. Erleichterung blitzte in Carlyles Augen auf.
»Fuck«, murmelte Caine, während er auf die rote Flüssigkeit starrte, die sich auf der Brust des Vampirs ausbreitete. »Musstest du so tief schneiden? Ich dachte, du wolltest Antworten von ihm, nicht Blut.«
»Ich habe ihm kaum ein Haar gekrümmt. Er wird es überleben. Pass mal kurz auf ihn auf«, sagte ich zu dem Detective.
Caine starrte mich an, dann schüttelte er den Kopf und stellte sich vor den Vampir. Finn folgte mir zum Kamin.
»Was tust du, Gin?«, fragte er leise.
»Ich folge einem Gefühl.«
Ich fuhr mit den Fingern über den Stein des Kamins. Hinter mir zischte Carlyle verstimmt, aber ich ignorierte ihn. Lauschte. Versuchte, Störungen zu finden, irgendetwas, was aus dem Rahmen fiel. Carlyle sah aus einem bestimmten Grund immer wieder hier herüber. Ich wollte diesen Grund erfahren. Aber die Vibrationen des Steins waren leise und verhalten. Wie ich war der Vampir nicht oft genug zu Hause, um einen echten Eindruck zu hinterlassen.
Trotzdem lauschte ich weiter. Und bemerkte, dass noch etwas anderes im Stein mitschwang. Ein leichter Unterton von verschlagener Befriedigung. Stolz. Beflissenheit. Es begann genau im Zentrum des Kamins und waberte nach außen.
Immer noch auf den Stein konzentriert fuhr ich mit den Fingern über die Wand, bis ich der Kaminöffnung immer näher kam. Sie war wunderbar konstruiert, aus
Weitere Kostenlose Bücher