Spinnenkuss: Elemental Assassin 1 (German Edition)
Narbe. Sie reichte vom Winkel seines braunen Auges bis fast zum Kinn hinunter. Wie ich war er vollkommen in Schwarz gekleidet. Auftragsmörder trugen selten eine andere Farbe bei der Arbeit.
»Hallo, Brutus.«
Er nickte einmal. »Hallo, Gin.«
Jeder meiner Kollegen hatte einen Namen, ein Codewort, das ihn oder sie bezeichnete und vielleicht sogar ein wenig über seine Spezialität verriet. Wenn man jemanden vergiften wollte, wendete man sich wahrscheinlich an Schierling. Tod durch Feuer? Such nach Phönix. Rausgerissene Eingeweide? Da war Klaue die Frau der Wahl. Fletcher Lane war als Zinnsoldat bekannt gewesen, weil er bei einem Job niemals Gefühle zuließ.
Brutus’ Killername war Viper, und eine Runentätowierung der fangzahnbewehrten Schlange zog sich seinen Hals entlang. Brutus ließ sich so nennen, weil er die Art von Kerl war, die im Unterholz herumkroch. Ein Kerl, den man nicht sah, bis man auf ihn trat oder er beschloss zuzuschlagen. Wie jetzt.
Nachdem es nur eine begrenzte Zahl von Leuten gab, die unseren Beruf ausübten, zumindest auf unserem Niveau, waren wir uns über die Jahre hinweg mehr als einmal begegnet. Inzwischen hatten uns dreimal verschiedene Klienten angeheuert, um den jeweils anderen zu töten. Ich hatte Brutus bei unserem letzten Treffen in Savannah ein Messer in den Rücken gerammt. Er hatte sich revanchiert, indem er mich in den Bauch geschossen hatte. Im Gegensatz zu uns waren unsere sechs Klienten in der Zwischenzeit allesamt verstorben.
Ich mochte ja eiskalt sein, wenn es um meine Aufträge ging, aber Brutus war eine Maschine. Er zeigte niemals Gefühle. Kein Vergnügen, keinen Schmerz, nicht einmal das leiseste Aufflackern von Befriedigung über einen erledigten Job. Er tauchte auf, tötete seine Zielperson und zog weiter.
Ich stand mit erhobenen Händen da. Die Waffe in seiner Hand war mit einem Schalldämpfer ausgestattet und direkt auf mein Herz gerichtet. Brutus würde nicht danebenschießen. Außer ich sorgte dafür.
»Weißt du, es tut mir tatsächlich leid, Gin.« Trotz seiner entschuldigenden Worte war Brutus’ Stimme ausdruckslos. Ohne jedes Gefühl. »Aber die Summe war einfach zu gut, um sie auszuschlagen.«
Meine Augen huschten zu der Loge. Donovan Caine und Gordon Giles flüsterten noch immer miteinander, ohne zu ahnen, welches Drama sich über ihren Köpfen abspielte. Caine schien etwas von Giles zu verlangen, der immer noch wie wild den Kopf schüttelte. Meine Gedanken rasten, um die Situation zu entschlüsseln.
»Was soll das?«, fragte ich. »Eine Falle? Ich töte Giles, und dann bringst du mich um?«
»So lautete der Plan, aber nachdem du dir so viel Zeit gelassen hast, habe ich beschlossen, dich zuerst zu erledigen.«
Ich kniff meine grauen Augen zusammen. »Warum? Ich hätte den Job zu Ende gebracht. Ich werde Giles umbringen. Ich bin ein Profi. Wenn ich einen Auftrag annehme, ziehe ich ihn auch durch.«
Brutus zuckte mit den Achseln. »Der Tod des Buchhalters wird einige Fragen aufwerfen, also hat mein Auftraggeber beschlossen, dass es besser wäre, wenn der Mörder gefangen wird. Sofort.«
»Also willst du mich zum Sündenbock machen, um deinen Klienten zu schützen.« Meine Stimme war genauso ausdruckslos wie seine.
Brutus nickte. »Auf diese Art gibt es keine leidige Verbrecherjagd, keinen langwierigen Prozess, keine lästigen Fragen. Aber es wird einen Schusswechsel mit den Sicherheitsmännern der Oper geben. Und wenn der Rauch sich verzogen hat, wirst du die Einzige sein, die nicht mehr atmet. Die Fährte beginnt bei dir und endet auch dort.«
»Also hast du einen Insider. Jemanden, der dir hilft.«
Brutus antwortete nicht, aber er musste meinen Verdacht auch gar nicht bestätigen. Mein Blick wanderte wieder zur Loge, aber bis jetzt hatte sich niemand Donovan Caine und Gordon Giles angeschlossen. Brutus musste jemanden vor der Tür postiert haben, nur für den Fall, dass Giles nervös wurde und verschwinden wollte.
»Wie lautet mein Motiv?«, fragte ich und verlagerte mein Gewicht auf mein rechtes Bein.
»Nichts Kompliziertes. Du bist eine arme heruntergekommene Nutte, die sauer auf Giles ist, weil er ihr versprochen hat, sie zu heiraten und eine anständige Frau aus ihr zu machen. Eine von Liebe und Eifersucht zerrissene Lady, die beschlossen hat, Selbstjustiz zu üben.«
»Eine Nutte, die aus Liebe tötet? In dieser Stadt?« Ich verzog abfällig das Gesicht. »Etwas Besseres ist euch nicht eingefallen?«
Brutus zuckte mit den Achseln.
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