Spinnenkuss: Elemental Assassin 1 (German Edition)
wären. Schnitte und Prellungen verunstalteten sein Gesicht, und Blut tropfte von seinem Kinn auf sein weißes Anzughemd, die dunkle Hose und die polierten Schuhe.
Der Anblick von Finns zerschlagenen Zügen erfüllte mich mit Wut, aber ich schob das Gefühl zur Seite und starrte stattdessen auf seinen Körper, auf der Suche nach fehlenden Hautstücken und Anzeichen von Folter. Ich konnte nichts entdecken, und es hing auch nicht der Gestank von zerrissenem Fleisch in der Luft. Der Luftelementar, der Fletcher gefoltert hatte, war nicht hier – noch nicht.
Finn sah aus, als hätte er die Stadt unsicher gemacht, bevor sie ihn gefesselt hatten. Vielleicht war er heute Abend sogar in der Oper gewesen. Er genoss solche Veranstaltungen, verkehrte gerne mit den Reichen, die sogar noch mehr Geheimnisse hatten als er und alles dafür taten, um sie zu bewahren.
Wenn Finn wirklich die Oper besucht hatte, wäre es in all der Verwirrung, die ich durch meinen Auftritt dort verursacht hatte, sehr einfach gewesen, ihn sich zu schnappen und für ein privates Gespräch in seine Wohnung zu bringen. Das würde auch erklären, warum sie ihn bis jetzt noch nicht umgebracht hatten.
Ich musterte die beiden Männer. Der erste Kerl war fast zwei Meter zehn groß, mit mächtigen breiten Schultern, fast milchfarbener Haut und übergroßen Froschaugen. Ein Riese. Er war definitiv der Schläger, weswegen ich unter seinem locker sitzenden Anzug auch keine verräterischen Beulen erkennen konnte. Wer brauchte schon eine Pistole, wenn man Fäuste in der Größe von Bowlingkugeln hatte?
Der andere Kerl war kleiner, ein Mensch. Seine Haut war goldfarben wie poliertes Ebenholz, und er trug eine eckige Brille mit Goldrand. Er war bewaffnet – mit einer Pistole unter jeder Achsel.
Während ich den Kleinen beobachtete, trat er einen Schritt nach vorne.
»Sag uns einfach, wo sie ist, dann können wir damit aufhören«, sagte er freundlich. »Ich verspreche, dass wir dich schnell erledigen. Drei Kugeln in den Hinterkopf. Du wirst nicht das Geringste spüren.«
Finnegan hob den Kopf und starrte den Kerl durch seine zugeschwollenen Augen an. »Das halte ich von dir und deinen verfickten Versprechen.«
Finn rotzte dem Kleinen Blut ins Gesicht. Die rote Spucke traf dessen Brille und spritzte über die Gläser wie gefärbtes Scheibenwaschmittel. Der Kleine richtete sich auf und nahm seine Brille ab. Dann gab er dem großen Kerl mit dem Kopf ein Zeichen, und der rammte seine Faust in Finns Gesicht. Als seine Nase brach, knirschte sie wie auf dem Boden zertretene Cornflakes. Trotz des Schlages musste ich lächeln. Finnegan Lane mangelte es nicht an Trotz oder Stil.
Der große Kerl beendete seine Bestrafungsrunde, die Finn Blut hustend zurückließ. Der Kleine zog ein Taschentuch hervor und säuberte seine Brille. Als die Gläser wieder auf seiner Nase saßen, umkreiste er Finn und versuchte es noch einmal mit derselben Taktik.
»Du weißt doch sicher, wie sinnlos das ist. Dein Vater ist bereits tot.«
Fletcher. Es laut ausgesprochen zu hören, war für mich, als trampelte jemand auf meinem Herzen herum. Ich biss gegen den Schmerz die Zähne zusammen und konzentrierte mich auf das, was jetzt wichtig war – Finn.
»Niemand wird kommen, um dich zu retten«, fuhr der Kleine fort. »Sicherlich nicht die Killerin. Sie ist von einem sechzig Meter hohen Balkon an der Oper gesprungen. Falls der Sturz sie nicht umgebracht hat, ist sie wahrscheinlich schon dabei, die Stadt zu verlassen – wenn die Polizei sie nicht zuerst erwischt.«
Ich runzelte die Stirn. Polizei? Das gefiel mir gar nicht. Besonders nachdem der Kleine über sie redete, als wäre sie seine persönliche Eingreiftruppe. Die Situation hatte sich von einer einfachen Falle zu einer groß angelegten Verschwörung gemausert. Ich fragte mich, wie lange Brutus, der Kleine und ihre gemeinsamen Kumpel diese Sache wohl schon geplant hatten – und wie Fletcher, Finn und ich so unvorsichtig gewesen sein konnten, in der Mitte dieses klebrigen Spinnennetzes zu landen.
»Komm schon«, drängelte der Kleine. »Mach es dir doch nicht so schwer. Erzähl uns, wo sie vielleicht hingeht. Mehr wollen wir nicht. Einen Ort, an dem wir anfangen können, nach ihr zu suchen – wenn sie nicht schon tot ist.«
Finn lachte, obwohl das dafür sorgte, dass er mehr Blut husten musste.
»Was ist so witzig?«, fragte der Kleine. »Ich dachte, ein Mann in deiner Situation wäre zu so etwas Dummem wie Gelächter gar
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