Spion auf der Flucht
Mann
an.
Der zuckte die Achseln, murmelte „alter
Esel“ und ging weiter.
Tims Blick wurde zu einem Mann
hingezogen, der neben dem Bewußtlosen gekauert hatte und sich jetzt
aufrichtete.
Er war groß, gutaussehend, etwa Mitte
Dreißig und trug einen Leinenanzug mit vorschriftsmäßigen Knautschfalten.
Was Tim an ihm auffiel, war der
seltsame Gesichtsausdruck.
Es schien, als müsse er sich ein Lachen
verbeißen.
Jedenfalls saugte er die Lippen ein und
die Wangen ebenfalls. Dabei schnaubte er durch die Nase.
Im nächsten Moment hatte er sich und
seine Miene im Griff. Anteilnehmende Betroffenheit breitete sich über sein
Gesicht.
Tim legte den Arm um Gaby und zog sie
mit sich.
Die Ambulanz traf ein. Es war ein
großer Wagen mit Sanitätern und Notarzt.
Noch während die beiden Unfallbeteiligten
eingeladen wurden, hielt ein Streifenwagen am Bordstein.
„Jetzt sind wir dran“, sagte Tim zu
seiner Freundin. Er drehte sich um und winkte Karl, der Pauls Sturzhelm unterm
Arm hielt.
Einer der Polizisten wandte sich an den
Mann im Leinenanzug. „Kennen Sie den verunfallten Rödermeyer?“
„Selbstverständlich. Er ist unser
Chefingenieur. Von WBCB. Auch ich arbeite dort. Als Konstrukteur.“
„Haben Sie den Unfall beobachtet,
Herr...“
„Dröselhoff, Ludwig Dröselhoff.“ Er
schien zu zögern, ehe er antwortete. „Nein. Ich habe nichts gesehen.“
Das ist also Dröselhoff, dachte Tim,
den Gaby und Karl informiert hatten. Der nette Nachbar von Picasso. Hm ja! Hat
er sich nun ein Lachen verbissen oder nicht? Vielleicht ist Rödermeyer ein
Leuteschinder, und Dröselhoff schmeckt jetzt die Schadenfreude.
„Ich habe alles gesehen, Wachtmeister“,
meldete sich der alte Wichtigtuer.
Tim trat zu dem Streifenwagen, wo der
zweite Uniformierte über Sprechfunk mit der Zentrale Infos austauschte.
Tims Freunde schlossen sich an.
Jetzt war der Polizeimeister mit seinem
Dienstgespräch fertig, hob den Blick und erkannte Gaby.
„Bist du nicht die Gaby Glockner?“
fragte er.
„Bin ich doch“, lachte sie. „Und wir
wollen eine Aussage machen. Sie betrifft nicht den Unfallhergang. Denn wir
kamen erst später her. Sondern den Motorradfahrer. Vermutlich ist er der Typ,
der neulich unseren Zeichenlehrer Dr. Lattmann zusammengefahren hat und dann
Unfallflucht beging.“
„Ach? Tatsächlich?“
„Dafür spricht seine Aufmachung“, sagte
Tim, „und sein Verhalten. Das ist nämlich so...“
Er berichtete.
Karl übergab den Sturzhelm.
„Die Aussage müßt ihr zu Protokoll
geben“, erklärte der PM (Polizeimeister). „Am besten im Präsidium.“ Er
lachte. „Bei der Gelegenheit, Gaby, kannst du auch gleich deinen Vater
besuchen.“
11. Bankräuber und Industriespion
Anfangs hörte er Polizeisirenen. Aber
er war nicht sicher, ob das ihm galt.
Das Geheul blieb zurück, während Pleff
— Sebastian Pleff — den Wagen — einen geklauten BMW — durch die Straßen jagte.
Den Wagen hatte er schon gestern
gestohlen.
Den anderen Wagen, zu dem er jetzt
wollte, erst heute vormittag.
Der Fluchtweg war ausgeklügelt. Alles
war ausgeklügelt. Ein Profi wie Pleff überließ nichts dem Zufall. Was er auch
anpackte — immer ging er generalstabsmäßig vor. Wenn was mißglückte, war das
nicht seine Schuld — grundsätzlich nicht. Davon ließ er sich nicht abbringen.
Auch als ihm damals beim Binden des
Krawattenknotens beinahe eine unfreiwillige Erdrosselung gelang, hatte er das
nicht als Mangel an Geschicklichkeit verstanden. Die verdammte
Krawatten-Industrie war schuld.
Er äugte in den Rückspiegel.
Keine Verfolger.
Er mäßigte das Tempo.
Sein Blick streifte die Leinentasche
auf dem Nebensitz.
Wieviel mochte drin sein?
100 000 DM? Sicherlich. Hoffentlich.
Vorhin hatte er die Bank überfallen.
Alles war glatt gegangen. Und die Beute fiel höher aus, als erwartet.
Er folgte der Mühlenräder Straße. Hier
herrschte wenig Verkehr. Eine Wohngegend.
Kurz darauf erreichte er das ehemalige
Industrie-Viertel, das inzwischen stillgelegt war.
Man hatte die Firmen ausgesiedelt.
Hallen und Gebäude wurden demnächst dem Abbruch anheim gegeben. Eine Siedlung
mit Sozialwohnungen sollte entstehen.
Aber daran können Baulöwen und
Geschäftemacher nichts verdienen. Deshalb ging’s langsam voran.
Pleff - in bestimmten Kreisen ,die
Schraube’ genannt, weil er sich in alles rein- und wieder rausdrehte — war 39
Jahre alt, mittelgroß, kräftig und völlig gewissenlos.
Seit Baby-Zeiten hatte er sich
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