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Spion auf der Flucht

Spion auf der Flucht

Titel: Spion auf der Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Unverfrorenheit vom
Städtischen Straßenbauamt, diese Steinhaufen überall rumliegen zu lassen. Wollen
Sie Klage führen?“
    „Dabei kommt doch nichts raus, Herr
Doktor. Der Instanzenweg ist lang, und ich habe keinen Zeugen. Nein! Den Ärger
will ich mir nicht auch noch antun.“
    Am frühen Nachmittag war endlich Pause.
    Auf 15.15 Uhr wurde die Fortsetzung der
Jahreskonferenz festgesetzt.
    In seinem Büro schlürfte Rödermeyer
mißlaunig an einer Tasse Kaffee.
    Sein Blick wanderte zum Fenster hinaus
und über die sonnendurchflutete Achenfelder Allee, wo immer noch Lindenbäume
stehen.
    Schräg gegenüber befand sich das Geschäft
von Juwelier Knöpperl-Amier. Er war Spezialist für kostbare Uhren — Schweizer
Zeitanzeiger aus Gold oder Platin, mit und ohne Zifferblatt, mit und ohne
Brillanten.
    Rödermeyer besaß eine 19 000-DM-Uhr.
Sie ging nicht so gut wie die unansehnliche Chromzwiebel, die er seit 20 Jahren
hatte und nur noch beim Angeln trug, aber sie sah nach was aus.
    Neuerdings spann sie.
    Der Datumsanzeiger übersprang jeden 7.,
jeden 17. und jeden 29. — gleichgültig, um welchen Monat es sich handelte.
    Das war lästig. Deshalb ließ er die Uhr
bei Knöpperl-Amier reparieren. Heute sollte sie fertig sein.
    Rödermeyer sah auf die unscheinbare
Chromzwiebel.
    Also verließ er sein Büro und das
WBCB-Gebäude, atmete vor dem Portal das Gemisch aus Frischluft und Abgasen ein
und schickte sich dann an, die Fahrbahn zu überqueren.
    Mit Wahnsinnstempo näherte sich in
diesem Moment die rote Kamikaza, bemannt mit Paul, dem jeder Knochen schmerzte.
Er trug keinen Helm. Der lag noch am Straßeneck.
    Stattdessen hatte er eine Mattscheibe
vor dem Schädel. Er sah alles verschwommen und wußte kaum, was er tat.
    Dieser Idiot! dachte Rödermeyer.
    Er war mitten auf der Fahrbahn.
    Erschrocken sprang er zurück.
    Das war die falsche Richtung. Denn Paul
wollte ihm ausweichen und riß die Maschine nach links.
    Den Passanten blieb die Spucke weg.
Einigen lähmte das Entsetzen den Atem.
    Rödermeyer wurde an der Hüfte gestreift
— etwas stärker als es sich, laut seiner Erzählung, am Vorabend abgespielt
hatte. Der Anprall schleuderte ihn über die Straße gegen einen Hydranten, was
den fast aus der Verankerung riß.
    Paul stürzte. Seine Kamikaza
schlitterte weiter — einem 500er-Kleinwagen entgegen, der den Zusammenstoß
nicht überlebt hätte.
    Aber der Türke, der drin saß, stammte
vom Bosporus und hatte seine Verkehrstauglichkeit im übervölkerten Istanbul
trainiert.
    Blitzartig zog er seine Chaussee-Wanze
nach rechts, rasierte einem Lindenbaum die Borke ab, vermied aber Schlimmeres.
    Paul blieb liegen.
    Später stellte man eine leichte
Gehirnerschütterung bei ihm fest.
    Auch Rödermeyer blieb liegen. Seine
Verletzungen erwiesen sich — später — als erheblich schwerer. Er hatte sich
Rippen und Schlüsselbein gebrochen, eine Niere gequetscht, Zähne gelockert und
Blutergüsse zugezogen: an Hüfte und Rücken.
    Viele Passanten waren stehengeblieben.
Alle glotzten. Eine Frau sagte: „Da muß man doch was tun. Die Polizei muß
verständigt werden. Und natürlich auch der Notarzt.“
    Mit einiger Verspätung rannten aus dem
WBCB der Portier, der Hausmeister und eine Büroangestellte herbei.
    Dr. Plief und Tilo von
Amperingen-Nettlich spazierten zufällig durch die große Eingangshalle, sahen,
was anlag, und traten auf die Steintreppe.
    „Mein Gott!“ sagte Plief. „Schon wieder
der Rödermeyer.“
    „Und ein Motorradfahrer“, staunte Tilo.
    „Verstehen Sie das? Eine Neuauflage des
gestrigen Unfalls — nur anscheinend schlimmer.“
    „Seltsam! Das sieht nach System aus.
Rödermeyer ist irgendwie falsch programmiert. Fehlverhalten bei Ansichtigwerden
eines Motorrades.“
    „Manchmal spielt auch der Zufall eine
Rolle, lieber von Ameringen-Nettlich. Deshalb habe ich es mir abgewöhnt,
Straßen fußläufig zu überqueren. Wozu hat man denn seinen Fahrer!“
    „Ganz richtig, mein Lieber! Wozu hat
man ihn denn!“
    Tilo ließ seinen Zigarettenrest fallen und
trat ihn klammheimlich aus — auf der obersten Stufe.
    Plief sagte: „Nana!“
    Tilo lächelte spitzbübisch. Er war
bekannt für seine Clownerien und ließ auch mal — gegen Ende einer
Aufsichtsratssitzung — einen Papierflieger los.
    Sie hatten Rödermeyer fast vergessen,
als sie sich zur Jahreskonferenz zurückbegaben, und achteten nicht auf den
Mann, der an ihnen vorbei und nach draußen hastete.
    Ludwig Dröselhoff hatte im vierten
Stock am

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