Spion auf der Flucht
Heft.
Eins von Tims Heften lag aufgeschlagen
vor ihm.
„Ich schreibe Mathe von dir ab“, teilte
er mit. „Bin gleich fertig.“
„Kapierst du wenigstens, worum es
geht?“
„Null Ahnung. Was sind schon Zahlen?
Wenn ich später Generaldirektor von unseren Schoko-Fabriken bin, lasse ich die
besten Buchhalter für mich arbeiten.“
„Und wenn sie dich übers Ohr hauen?“
„Das merke ich natürlich. Schließlich
genieße ich ja hier in unserer Penne eine umfassende Bildung.“
„Daß du sie genießt, die Bildung, ist
mir neu.“
„Ich kann Zinsrechnung. Das ist für
einen Generaldirektor am wichtigsten. Damit sich sein Geld mehrt, muß er
wissen, daß Kapital mal Zinsfluß mal Zeit gleich die Prozente, also den Gewinn
ergeben. Habe ich recht?“
„Phantastisch! Du könntest auch
Bankdirektor werden oder Spekulant an der Börse.“
„Ich gehe lieber mit Schokolade um als
mit Geldhaien. So! Fertig.“
Tim sah in Klößchens Heft.
„Bei Zeile drei, Willi, bist du in die
falsche Reihe gekommen. Hast ab der Mitte alles aus Zeile vier geschrieben. Von
da an bis runter zur Seite stimmt nichts mehr.“
„Sternenzelt, Stert und Nähseide ( Himmel , A. und Zwirn )!“ schimpfte Klößchen. „Das passiert nur, weil du manchmal
so sperrig schreibst. Bei dir grätschen die Zahlen wie... wie...“
„Wie beim Pferdsprung“, half ihm Tim.
„Genau.“
„Siehst du! Ich bin immer im Training.
Auch Arithmetik ( Rechenkunst ) hält fit. Und nicht nur in der Birne.“
Klößchen warf sein Heft in die Ecke.
„Jetzt mache ich’s nicht nochmal. Bis Montag ist ja noch Zeit.“
Tim zog Joggerhosen an und eins seiner
T-Shirts.
„Rollen wir stadtwärts?“ erkundigte
sich Klößchen.
„Für 11 Uhr sind wir mit Karl und Gaby
verabredet. Hast du das vergessen?“
„Also wieder kein Mittagessen?“
„Wieder kein Mittagessen.“
Klößchen seufzte, holte seinen
Schoko-Vorratskarton vom Schrank und steckte eine große Tafel ein.
Sie verließen ADLERNEST und Haupthaus.
Träge Wochenendstille lag auf dem
weitläufigen Schulgelände.
Auf dem Tennisplatz kloppten zwei aus
der Oberstufe Bälle. Drüben im Paukersilo dudelte ein Radio hinter geöffnetem
Fenster. Zwei Handwerker reparierten bei der Turnhalle ein Fenster. Mrs. Gussie
Reynolds, die neue Austausch-Englischlehrerin aus London, verließ eben den
,Silo’ und setzte ihre riesenhafte Sonnenbrille auf. Es war zugleich ein
Sonnenschutz, der vom Gesicht wenig frei ließ.
Tim und Klößchen grüßten und trollten
sich dann zum Fahrradkeller, wo ihre Drahtesel warteten.
„Kommissar Glockner hat heute Dienst“,
sagte Tim. „Am besten, wir besuchen ihn im Präsidium, um mal zu hören, wieweit
die Vernehmung von Krawutschke gediehen ist.“
„Vielleicht hat er auch dem Kommissar
‘ne Bestechung angeboten“, überlegte Klößchen. „Aber dann sicherlich mehr als
300 Mark.“
Über die Zubringerstraße radelten sie
zur Stadt.
In den Randgebieten verödeten die
Straßen.
Wochenende und schönes Wetter — da
setzt Stadtflucht ein, und die arme Natur ringsum muß mit Blechkarawanen und
deren bleihaltigem Atem fertigwerden.
Gaby war bei ihrer Mutter im Geschäft —
half dort seit frühem Vormittag,. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist das zwar
nicht, aber sie tut’s ohne zu maulen.
Jetzt gab Margot Glockner ihr frei, und
die drei warteten auf Karl.
Er kam mit Verspätung.
„Freunde“, erklärte er atemlos, während
er vom Rad stieg. „Mit meinem Vater, der ja als Mathe-Professor auch über
Computer-Bau alles weiß, habe ich mich über WBCB unterhalten. Wußtet ihr, daß
die kürzlich eine tolle Forschungsarbeit abgeschlossen haben? Das WBCB-Forschungsteam
hat den X-U-1 %-Gamma-Chip erfunden. Was das ist, weiß ich nicht. Aber es muß
ungefähr so wichtig sein wie die Erfindung des Rades — damals in grauer Vorzeit
— , die Erfindung der Dampfmaschine in nicht zu ferner Vergangenheit und die
Entdeckung Amerikas im Jahre 1492 durch Kolumbus — der ja bekanntlich den
Auftrag hatte, für Spanien einen westlichen Seeweg nach Indien zu finden, dabei
ein bißchen weit von der Route abkam und Cuba sowie Haiti entdeckte mit seinem
Flaggschiff Santa Maria, das 235 Tonnen hatte und 70 Mann Besatzung. Ulkig ist
übrigens, daß Amerika nicht nach ihm, Kolumbus, benannt wurde — sonst hieße es
ja Kolumbia — , sondern nach einem anderen spanischen Eroberer, der erst 1499
am Zug war, nämlich Amerigo Vespucci.“
„Erzählst du von unseren
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