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Spion auf der Flucht

Spion auf der Flucht

Titel: Spion auf der Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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darstellte, wußte nur ein kleiner Kreis
Eingeweihter.
    Das Atelierfenster war spaltbreit
geöffnet.
    Unter den Obstbäumen lag Schatten.
Blütenschwere Luft drang herein.
    Als drüben bei Dröselhoffs die
Gartenpforte klapperte, hob Lattmann den Kopf.
    Vorhin hatte er gesehen, wie der
Konstrukteur mit seiner Frau wegfuhr. Offenbar war Sabinchen allein zu Hause.
    Kamen jetzt die Eltern zurück?
    Er hatte keinen Wagen gehört.
    Nein, die Dröselhoffs waren das nicht.
    Lattmann runzelte die Stirn. Er kannte
den Typ nicht. Der war kräftig und von mittlerer Unauffälligkeit. Immerhin
hatte er starke Geheimratsecken und eine fleischige Nase.
    Unterm Arm trug er ein Päckchen.
    Während er — mit nicht übersehbarer
Verstohlenheit, da er sich unbeobachtet glaubte — zur Eingangstür wippte,
stülpte er sich einen knautschigen Hut auf den Schädel.
    Außerdem schob er eine Sonnenbrille auf
die Nase, obwohl diese Seite des Hauses im Schatten lag.
    Er klingelte.
    Lattmann reckte sich auf seinem Sessel.
    Besser sah er deshalb nicht. Die
Bewegung war mehr eine Folge erwachenden Mißtrauens.
    Im Obergeschoß wurde ein Fenster
geöffnet.
    Sabinchen beugte sich heraus.
    „Mami ist nicht da. Papi auch nicht“,
hörte Lattmann ihr glockenhelles Stimmchen.
    Mit übertriebener Geste griff sich der
Dicknasige an den Kopf.
    „Was für ein Glück, daß du da bist“,
meinte er. „Dann kann ich dir das Päckchen geben.“
    Er zeigte es ihr.
    „Ich darf niemandem aufmachen“, kam die
Antwort.

    „Ja, was machen wir denn nun? Dein Papi
braucht das Päckchen. Es sind wichtige Sachen drin.“
    „Ich darf niemanden reinlassen — hat
Mami gesagt.“
    „Deine Mami hat recht. Du, jetzt weiß
ich, wie wir’s machen.“ Er schnippte mit den Fingern. „Ich lege das Päckchen
hier auf die Fußmatte. Und wenn ich weg bin, nimmst du’s rein.“
    Na, Gott sei Dank! dachte Lattmann. Sie
macht nicht auf. Bei ihr greift die gute Erziehung.
    Sabinchen sah großäugig zu dem Typ
hinunter.
    Er legte das Päckchen auf die Fußmatte,
winkte ihr zu und schnürte zur Straße zurück.
    Sabinchen schloß das Fenster.
    Schon wollte Lattmann sein Interesse
wieder Picasso zuwenden, als ihm der Schreck vom Gehirn bis ins Gipsbein
zuckte.
    Was er sah, nahm ihm den Atem.
    Der Dicknasige ging nämlich nicht
wirklich zur Straße, sondern machte kehrt — kaum daß das Fenster geschlossen
war.
    Er flitzte an der Eingangstür vorbei
bis zur Hausecke.
    Dort — nur einen Sprung von der Tür
entfernt — preßte er sich an die Wand.
    Der... der... Lattmanns Herz stolperte.
Sein Atem flog. Der ganze Körper begann zu zittern — so heftig, daß seine Ärzte
um den frisch verheilten Knochenbruch gefürchtet hätten.
    In derselben Sekunde wurde ihm bewußt,
wie hilflos er war.
    Der... der... hat was vor, dachte er.
Ich muß Sabinchen warnen. Aber wie? Rufen? Aussichtslos! Sie würde es erst
hören, wenn sie die Tür öffnet. Dann ist es zu spät. Anrufen! Ja, das ist es!
    Er griff zum Telefon.
    „Herrgott!“ murmelte er. „Welche Nummer
haben die?“
    Fieberhaft begann er im Telefonbuch zu
blättern.
    „...Dräger, Dransfeld, Drillich,
Dröselhoff... aha!“
    Er wählte. Seine Finger trommelten auf
die Gipshülle.
    „Nimm ab, Sabine! Geh nicht an die Tür!
Geh ans Telefon.“
    In diesem Moment öffnete Sabine die
Haustür.
    Wie ein Panther schnellte der Kerl von
der Seite heran.
    Lattmann sah, wie er das Kind packte.
    Eine Hand preßte sich auf Sabines Mund.
    Er hob die Kleine hoch, trat über die
Schwelle ins Haus und kickte die Tür hinter sich zu.
    Lattmann starrte hinüber. Kalter
Schweiß bildete sich auf seinem Gesicht.
    Polizei! dachte er. Ich muß Kommissar
Glockner verständigen. Hoffentlich ist es nicht zu spät. Was will dieser Kerl
von dem Kind?
    Er zitterte noch immer, war zu hastig
und stieß das Telefon vom Tisch.
    Mit einer seiner Krücken angelte er es
zu sich. Das kostete wertvolle Zeit.
    Wieder mußte er im Telefonbuch suchen.
    Endlich war die Verbindung hergestellt.
    „Polizei?“ japste er. „Kommen Sie
sofort her! Ein Kind wird überfallen. Wie? Mein Name ich Lattmann.
Schiller-Straße elf. Wenn Sie’s bitte auch Kommissar Glockner sagen. Ja, in
Ordnung. Danke!“
    Er legte auf, starrte hinüber, fühlte
sich wie am Marterpfahl, zitterte aber etwas weniger und konnte sich den
Angstschweiß von der Stirn wischen, ohne dabei seine Augen zu gefährden.
    Nach verhältnismäßig kurzer Zeit
öffnete sich drüben die Tür.
    Der Dicknasige

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