Spion auf der Flucht
kannst?“
„Hach“, hauchte Gaby. „Eigentlich
jederzeit. Natürlich nicht während des Unterrichts. Wenn ich nur wüßte, wie
ich’s mit dem Haar mache!“
„Natürlich frisch gewaschen“, sagte
Klößchen.
„Das doch sowieso“, funkelte sie ihn
an. „ich meine, ob offen oder mit Pferdeschwanz?“
„Hm“, machte Tim. „Ich mag dich so, und
ich mag dich so, überlaß es doch Blassmüller. Der hat den richtigen Blick
dafür.“
„Ich wette, er will offenes Haar“,
sagte Klößchen. „Dann kann er mehr Gelb verbrauchen.“
„Gelb?“ fauchte Gaby. „Habe ich
vielleicht gelbe Haare? Goldblond ist das, du Tortenmonster.“ Sie wandte sich
an ihre Mutter. „Morgen ist Sonntag. Wenn Blassmüller sonntags arbeitet, kann
ich ihm Modell sitzen. Und anschließend fahren wir zu Picasso. Denn das müssen
wir ihm erzählen.“
*
Niedergedrückt fuhr Pleff, genannt die
,Schraube 1 , heimwärts.
Er besaß nur noch wenig Geld.
Die nahe Zukunft sah düster aus.
Auch als er sich seiner idyllischen
Adresse näherte, hellte die Stimmung nicht auf.
Sein derzeitiges Zuhause war ein
geräumiger Campingwagen. Das Wohnfahrzeug stand auf dem Campingplatz
Lerchenwald und zwar auf dem südlichen Feld, das den Dauer-Campern vorbehalten
war.
Durchreisende Camper, die nur übers
Wochenende hier blieben oder für die Zeit ihres Urlaubs, mußten auf das
Nordfeld ausweichen.
Das war zwar größer, aber nicht so
grün. Außerdem ging’s dort unpersönlicher zu.
Wegen seiner lichtscheuen Tätigkeit
hatte sich Pleff in eine abseits gelegene Ecke verzogen. Er hielt Abstand zu
den Nachbarn, war zwar allezeit höflich, verzichtete aber auf Klatsch und
Tratsch.
Die benachbarten Dauer-Camper respektierten
das und ließen ihn in Ruhe.
Nachdem er seinen Audi geparkt hatte,
schnürte er zum Campingwagen.
Jetzt haue ich mir ein paar Schnäpse
rein, bis ich den ganzen Ärger vergessen habe, dachte er.
Dann sah er den Zettel.
Er steckte an der Tür und war zweimal
gefaltet.
Sofort anrufen! las er. Unterzeichnet war diese
weitschweifige Mitteilung mit den Buchstaben J. P.
Natürlich wußte er sofort, wer das war:
Jacques Perrigon, genannt Chippy, Chef-Konstrukteur von Ashburn-Centre, Computer-Bau,
dem zweitgrößten Konzern und schärfsten Konkurrenten von WBCB.
Hatte doch Pleff in dessen Auftrag den
Geheimnisverrat von Rödermeyer, betreffend die X-U-1 %-Gamma-Chip-Forschung
angeleiert, was dann aber leider in die Hose gegangen war.
Hat der was neues für mich? überlegte
Pleff. Wäre mir recht.
Zum Campingplatz gehörte ein
Telefonhäuschen.
Pleff rief Perrigon an.
Der Chef-Konstrukteur war zu Hause und
meldete sich sofort.
„Seit heute morgen, Pleff“ schimpfte
er, „versuche ich, Sie zu erreichen. Wo, zum Teufel, treiben Sie sich rum?“
„Unsereins steckt eben immer bis zum
Hals in der Arbeit.“
„Ich habe einen neuen Auftrag für Sie.“
„Hm. Eigentlich bin ich ja ausgebucht
bis zum dritten Advent. Aber in Ihrem Fall mache ich eine Ausnahme. Worum geht
es?“
„Immer noch um dasselbe. Um die
Unterlagen von X-U-1 %-Gamma-Chip. Aber die Lage hat sich total geändert. Mit
Rödermeyer kann ich nicht mehr rechnen. Er hatte einen schweren Unfall und wird
Wochen, wenn nicht Monate im Krankenhaus zubringen. An seiner Stelle wurde ein
Nachwuchs-Konstrukteur zum Forschungsleiter bestellt. Gestern am späten
Nachmittag wurde das verfügt, wie ich aus zuverlässiger Quelle erfahren habe.
Der neue Forschungsleiter heißt Ludwig Dröselhoff. Er wohnt in der
Schiller-Straße, ist verheiratet und hat eine Tochter von fünf Jahren. Nehmen
Sie sofort Kontakt zu ihm auf. Irgendwie. Bieten Sie ihm 100 000 Mark für die
Unterlagen. Auch Sie werden nicht zu kurz kommen. Alles klar?“
„Alles klar“, sagte Pleff.
21. Überfall auf Sabinchen
Am Sonntagnachmittag saß Dr. Lattmann
wie immer in seinem Atelier, hatte gute Laune und blätterte in einem
Picasso-Bildband.
Er kicherte ein paar Mal. Das betraf
nicht den Bildband, sondern sein Gipsbein.
Unter dem knickfesten Verband schienen
Ameisen und Borkenkäfer an der Arbeit zu sein. Die Haut juckte fürchterlich. Ab
und zu schob er ein langes Lineal in den Gipsverband und kratzte sich.
Jetzt kicherte er wieder. Diesmal
betraf es den Bildband.
„Tatsächlich!“ murmelte er in
fröhlichem Selbstgespräch. „Die haben es verkehrt herum abgebildet. Daaaaaas
sind Kunstexperten!“
Er stellte den Bildband auf den Kopf
und betrachtete das Gemälde. Was es
Weitere Kostenlose Bücher