Spion auf der Flucht
schob den Kopf hervor.
Er äugte zur Straße, kam heraus und
hielt einen Stapel Aktenordner unter dem Arm.
Er schloß die Tür, hob das Päckchen auf
und sockte zur Straße.
Lattmann sah, daß die Tür nicht ins
Schloß gefallen war, sondern noch spaltweit offen stand.
22. Klößchens Frisbee-Scheibe
Manchmal nervt er gewaltig, dachte Tim.
Er meinte Klößchen. Der hatte eine
Frisbee-Scheibe (Wurfscheibe aus Plastik) gefunden.
Sie steckte in einem Busch am Straßenrand,
und Klößchen, der sie entdeckte, eignete sich das Wurf gerät ohne
Gewissensbisse an.
„Die liegt hier wahrscheinlich schon
seit Monaten“, erklärte er seinen Freunden. „Gehört niemandem mehr. Es wäre
sündhaft, sie noch weiter vergammeln zu lassen. Also erbarme ich mich.“
Die TKKG-Bande befand sich auf dem Weg
nach Maisinghausen zu Picasso.
Gaby hatte ihre erste Modellsitzung bei
Blassmüller hinter sich und glühte noch vor Aufregung. Der Kunstmaler hatte
sich für offenes Haar entschieden. Jetzt flatterte es im Wind.
Wegen Klößchens Frisbee-Scheibe wurde
der Rest der Wegstrecke beschwerlich. Aber zum Glück war es nicht mehr weit.
Irgendwie hat ihn heute der Hafer
gestochen, dachte Tim. So beweglich ist er doch sonst nicht.
Klößchen schleuderte die Frisbee-Scheibe
durch die — zum Glück leere — Straße und flitzte auf dem Rad hinterher.
Zweimal schon hatte er Fensterscheiben
getroffen. Aber sie hielten stand.
„Toooooor!“ brüllte er jetzt.
„Du wirst nie erwachsen“, sagte Gaby.
„Will ich auch gar nicht. Ist ja
langweilig.“
Sie bogen ein in die Schillerstraße.
Jetzt konnten sie ihr Ziel bereits
sehen.
Die Mittagsruhe des Sonntags schwebte
über allen Gärten. Nur die Bienen und Schmetterlinge hielten sich nicht daran.
Aber alle Rasenmäher schwiegen; und nur hinter dichten Hecken hörte man ab und
zu leise Stimmen oder das Klirren von Gläsern.
Ein weißer Audi parkte am Straßenrand.
Klößchens Frisbee-Scheibe prallte
vernehmlich gegen die Windschutzscheibe und dann auf die Motorhaube.
„Heh! Spinnt ihr? Was soll das?“
Hinter dem Wagen richtete sich der Mann
aus gebückter Haltung auf. Offenbar hatte er sich das Schuhband geknotet.
Moment mal! dachte Tim. Den kenne ich
doch.
Neben dem Wagen sprang er vom Rad.
Klar, das war der Typ aus der Ratzebor-Straße
— der mit dem sommersprossigen Jungen.
Tim unterdrückte ein Grinsen. Mann, wie
der Kleine seinen Papa vors Schienbein geholzt hatte!
Eilfertig beäugte Tim den Audi.
„Nichts passiert“, sagte er. „Kein
Kratzer, keine Delle. Er blutet auch nicht. Ist das Ihr Wagen?“
Der Typ trug wie gestern eine
Sonnenbrille auf seiner dicken Nase und hatte sich denselben Knautschhut
aufgesetzt.
Er antwortete nicht.
Daß er den Wagen aufschloß und einen
Stapel Aktenordner auf den Nebensitz legte, war jedoch Antwort genug.
„Das ist hier kein Sportplatz“,
nörgelte er. „Spielt woanders.“
„Komisch!“ sagte Tim. „Ich hätte das
für ein Olympia-Stadion gehalten. Aber man kann sich ja irren.“
Der Mann wandte ihm das Gesicht zu,
während er hinters Lenkrad glitt.
Wie wütend der Blick war, ließ sich
wegen der Sonnenbrille nicht ausmachen.
Der Audi fuhr ab. Die TKKG-Bande
radelte weiter.
„Habt ihr ihn erkannt?“ fragte Tim.
„Na, und ob!“ lachte Karl. „Vielleicht
tut ihm das Schienbein noch weh, und er ist deshalb so gereizt.“
Bei Dr. Lattmann parkten sie ihre Räder
am Zaun.
Der Schlüssel lag an seinem Platz.
„Wir sind’s“, rief Tim wie üblich die
Treppe hinauf.
Zwei Minuten später wußten sie, was
geschehen war.
Tim sauste die Treppe hinunter, durch
den Garten und über den Zaun zum Nachbarhaus. Seine Freunde waren ihm auf den
Fersen.
Die Eingangstür war nur angelehnt.
Tim sträubten sich die Nackenhaare, als
er in die Diele trat. Türen zweigten ab. Er war auf Schreckliches gefaßt.
Seine Freunde kamen herein.
„Sabine!“ rief Gaby. „Wo bist du?“
„Hier!“ antwortete ein dünnes
Stimmchen. „In der Speisekammer.“
Gott sei Dank! dachte Tim. Sie lebt.
Offenbar hat er ihr nichts getan, der Kerl. Dann war er wohl nur auf
irgendwelche Akten scharf, wie Picasso gesehen hat.
Die Speisekammer war von außen
verschlossen. Aber der Schlüssel steckte.
Sabinchen stand verschüchtert in einer
Ecke. Sie war unverletzt.
In Gaby erwachten mütterliche
Instinkte. Sie legte den Arm um die Kleine.
„Du brauchst keine Angst mehr zu haben,
Sabinchen. Der Mannist weg.“
Die Kleine
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