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Spion Für Deutschland

Spion Für Deutschland

Titel: Spion Für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Wenn sie sich streckte, reichte sie mit ihrem Kopf an meine Schultern. Der Mann klopfte meine Taschen ab. Er wurde ungeduldig, fuhr mit beiden Händen hinein. Die anderen Häftlinge umstanden uns. Er fand nichts. Sein Gesicht lief blutrot an. Er hatte sich blamiert. Die Häftlinge grinsten.
    Ich stand immer noch da. Mit erhobenen Händen. Mit den Zigaretten zwischen den Fingern. Jeder sah sie. Nur nicht die >Ratte<. »Seht, daß ihr in eure Unterkunft kommt!« schrie der Mann.
    »Los!« sagte er dann zu mir. »Auf was wartest du noch! Hau ab!«
    Ich ließ die Hände sinken und schob die Zigaretten blitzschnell in die Taschen.
    Ich lief davon, so schnel ich konnte. Der Trick hat mir unter den Kriminel en den Ritterschlag eingebracht. Ich überstand die vierwöchige Quarantänezeit ohne Bau, avancierte zum >ordentlichen< Strafhäftling und wurde in den Hauptteil der Anstalt verlegt. Und kam damit in den Genuß der üblichen Vergünstigungen.
    Ich wunderte mich, wie viele Deutsche unter meinen Mithäftlingen waren. Die meisten von ihnen waren als renitente Kriegsgefangene oder als Helfershelfer der deutschen Abwehr verurteilt worden. Ich traf mit Hermann Lang zusammen, der ein Bombenzielgerät nach Deutschland verraten haben soll — seine Schuld ist heute noch nicht erwiesen. Ich lernte einen Amerikaner deutscher Abstammung kennen, der als Bewacher deutsche
    Kriegsgefangene hatte entkommen lassen. Ich wurde mit den seltsamsten Schicksalen und Typen konfrontiert.
    Ich saß in der Zelle, in der der angebliche Nordpolfahrer Cook sein
    vielbeachtetes Betrugsmanöver gesühnt hatte. Cook hatte sich als Bezwinger des Nordpols in aller Welt feiern lassen, bis sich herausstel te, daß er niemals dort gewesen war. Amerika verzieh ihm die Blamage nie. Er saß, bis er starb.
    Mein Schicksal war immer noch ungewiß. Formell war ich noch zum Tode verurteilt. Mein Verteidiger hatten ein zweites Gnadengesuch an Mr. Truman, den Nachfolger Roosevelts, eingereicht. Eigentlich war das unstatthaft, denn Trumans Vorgänger hatte ja bereits über die Ablehnung entschieden.
    Der Krieg in Europa war nun schon mehrere Monate zu Ende. Ich hatte mich al mählich zu einem versierten Kohlenschaufler entwickelt. Ich mußte am Tag einen ganzen Berg schaffen. Sonntag gab es nicht. Bezahlung auch nicht. Ich konnte das gewaltige Arbeitspensum nicht allein erledigen. Zwei bärenstarke Neger halfen mir dabei. Sonst waren Farbige und Weiße auch noch hinter Gefängnismauern streng voneinander getrennt. Aber bei der verachtetsten Arbeit, dem Kohlenschaufeln, gab es keine Rassenunterschiede mehr. Den Job verdankte ich dem Direktor der Strafanstalt Leavenworth, der mich nicht ausstehen konnte. Er hat mich entgegen den Vorschriften weder empfangen noch verabschiedet. Der Abschied freilich sollte ein paar Jahre später unter seltsamen Umständen vor sich gehen . . . Meine Mithäftlinge, vor allem die Deutschen unter ihnen, benahmen sich mir gegenüber sehr kameradschaftlich.
    Gleich beim Haftantritt überreichte mir ein ehemaliger Kriegsgefangener eine Tüte im Werte von zehn Dollar — ein Vermögen hinter Gefängnismauern — mit Bonbons, Seife und Zigaretten. Sie halfen al e zusammen und hielten mich über Wasser.
    Wenn ich vom Kohlenschaufeln in die Zelle zurückkam, fiel ich in der ersten Müdigkeit förmlich um. Allmählich aber entwickelten sich meine Bizeps wie bei einem Preisboxer. Einmal geriet ich mit einem Einbrecher in einen
    Meinungsstreit und boxte ihn nieder. Jetzt gehörte ich endgültig zur
    >Führungsschicht< von Leavenworth.
    An einem Septemberabend des Jahres 1945 spielte im Radio meine
    Lieblingsband: Tommy Dorsey. Seine Posaune verstummte um 20 Uhr.
    Nachrichten. Ich wollte verärgert den Hörer vom Kopf reißen, unterließ es aber.
    Es waren politische Meldungen aus aller Welt. Irgendeine Unstimmigkeit mit den Russen. Ich erinnere mich noch ganz genau daran. Ein Kriminalfal in Deutschland. Ein US-Soldat hatte wegen seiner deutschen Freundin seine Frau ermordet. Die Sendestation schilderte mit genüßlicher Grausamkeit den Verlauf der Tat. Dann kamen Meldungen aus Washington.
    Auf einmal sprang ich wie elektrisiert von meiner Pritsche auf. Ich hörte meinen Namen. Ganz deutlich! Jeder Irrtum ausgeschlossen !
    Der Sprecher redete langsam und gemächlich weiter. Er wußte ja nicht, was sein Text für mich bedeutete. Er las: »Der amerikanische Präsident Harry S. Truman gab heute die Begnadigung des deutschen Spions Erich Gimpel

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