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Spion Für Deutschland

Spion Für Deutschland

Titel: Spion Für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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erschien persönlich.
    »Rauchen verboten!« sagte er. »Wer erwischt wird, bekommt Bau.«
    Bau — das war strenge Einzelhaft bei Wasser und Brot ohne
    Bewegungsmöglichkeit.
    »Hier wird nicht gearbeitet. Hier wird nicht gelacht. Hier wird nicht gegangen.
    Hier wird gelaufen. Wenn der Wärter mit euch spricht, habt ihr stramme Haltung anzunehmen. Ihr habt mit ja oder nein zu antworten. Auf Widerrede steht Bau.
    Auf Unhöflichkeit ebenfal s. Auf Nachlässigkeit auch.«
    Er plapperte seinen Vortrag herunter. Er hielt ihn alle vier Wochen, seit zwanzig Jahren. Sein Gesicht war grau und schmal. Er war magenkrank. Magenkranke Aufseher sind in den Strafanstalten nicht sehr beliebt.
    »Ihr habt Anspruch auf Kirchenbesuch. Jeden Sonntag. Einmal Haarschneiden im Monat, zweimal in der Woche duschen. Wenn ihr euch gut führt, dürft ihr alle sieben Tage einmal ins Kino. Keine Kriminal- und Liebesfilme. Wie man Verbrechen verübt, wißt ihr schon, und Liebe braucht ihr hier keine . .. Wer arbeitet, verdient. In der Kantine sind Schokolade, Kekse, Bonbons, Rasierseife und Zigaretten zu kaufen. Zigaretten zwei Päckchen pro Woche. Das reicht für euch.«

    Er musterte uns der Reihe nach.
    »Wer nicht hören wil , muß fühlen«, fuhr er fort. »Wer unrasiert ist, kommt in den Bau. Wer die Knöpfe an seiner Jacke nicht schließt, ebenfalls. Auf euch wartet immer der Bau. Denkt daran! Wir haben genug Einzelzellen.«
    Manche von uns lachten bei seinem Vortrag. Aber das Lachen sollte uns bald vergehen. Beim Bettenbau zum Beispiel. Die Kanten der Kopfkissen mußten angefeuchtet werden, damit sie sich hielten. Es gab die kleinlichsten Vorschriften. Ein amerikanisches Zuchthaus hat eine verteufelte Ähnlichkeit mit einem deutschen Kasernenhof.
    Wir mußten unsere Rechte und Pflichten auswendig lernen.
    »Auf was hast du Anspruch?« wurde ich vom >Kürbis< gefragt.
    »Zwei Rasierklingen in der Woche.«
    »Im Monat, du Dussel. Und auf was noch?«
    »Auf die Kopfhörer für das Radio.«
    »Wie lange?«
    »Bis um 21 Uhr abends, Sir.«
    Der >Kürbis< grinste.
    »Wenn du wieder rauskommst, kannst du länger hören«, sagte er dann. »Aber vorläufig bist du noch hier. Und denk an den Bau. Da ist es einsam. Nicht schön da. Du wirst es ja noch sehen.«
    Wir wurden täglich als letzte in den Speisesaal geführt. Wir hatten schweigend Platz zu nehmen, schweigend unsere Suppe auszulöffeln. Einmal mußten wir wegen Ungehorsams unter die Tische. Unsere Blechteller fielen um. Das Fleisch lag am Boden. Ersatz gab es nicht. Ich habe mir deshalb angewöhnt, mein Fleisch sofort zu essen. Diese Angewohnheit habe ich heute noch. Die Häftlinge waren mir gegenüber zunächst sehr reserviert. Ich war ein Außenseiter. Zwar brachte ich das Plus mit, daß ich mindestens lebenslänglich Zuchthaus erhielt, aber die Taten eines Spions werden in der Strafanstalt sehr unterschiedlich eingeschätzt.
    Eines Tages gelang es mir jedoch, die vol e Sympathie meiner Mithäftlinge zu erringen. Ich war vierundzwanzig Stunden lang das Tagesgespräch von
    Leavenworth. Ich wurde in die Gemeinschaft der alten Hasen aufgenommen.
    Wir saßen im Speisesaal wie jeden Tag. Jeder hatte seinen Stammplatz an den Tischen. Der Koch, selbst ein Häftling, kam vorbei und teilte mit seiner Kelle das Essen aus. Er sprach Deutsch.
    Er beugte sich zu mir herunter.
    »Unter dem Tisch sind zwei Päckchen >Camel<«, sagte er. »Vergiß nicht, sie mitzunehmen.«
    Ich dachte, daß er sich einen Witz mit mir erlauben würde. Die Tische hatten keine Schubladen, ihre Unterfläche war glatt. Verstohlen tastete ich darüber hin.
    Der Koch hatte geschickt eine Gabel eingeklemmt und daran die Zigaretten befestigt. Ich schob sie in die Tasche. Ganz wohl war mir nicht dabei. Die Mithäftlinge am Tisch mußten den Zwischenfall bemerkt haben.
    Das hatte Unruhe unter sie gebracht. Unruhe fiel den Wächtern immer sofort auf.
    »Fertig«, rief die >Ratte<, der unbeliebteste unserer Aufseher. »Aufstehen!«
    Ruckartig fuhren alle von den Stühlen hoch. Gelernt ist gelernt. Der Abmarsch erfolgte in einer ganz bestimmten Reihenfolge. Jetzt war unser Tisch daran. Wir gingen schweigend hintereinander.
    »Halt!« sagte die >Ratte<. »Hände hoch!«
    Taschenvisitation . . . Am Ausgang des Speisesaals. Blitzartig ging das. Einer nach dem anderen.

    Ich riß die Hände in die Höhe. Zwischen den Fingern hatte ich die zwei Päckchen Zigaretten eingeklemmt.
    Die >Ratte< stand vor mir. Klein, schmächtig, mißtrauisch.

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