Spion Für Deutschland
zu
lebenslänglichem Zuchthaus bekannt. Gimpel war gegen Ende vorigen Jahres an Bord eines deutschen U-Bootes nach den Vereinigten Staaten gekommen, um Atomgeheimnisse auszuspionieren. Der FBI gelang es, ihn zu verhaften. Ein amerikanisches Kriegsgericht hatte ihn zum Tode durch den Strang verurteilt.
Die Hinrichtung war nach dem plötzlichen Tod von Präsident Roosevelt bis auf weiteres ausgesetzt worden.«
Meine Zel engenossen gratulierten mir begeistert. Ein Wärter kam, steckte seinen Kopf herein und sagte:
»Haben Sie es gehört, Gimpel? Sie können Ihre Rübe behalten! Mancher hat halt Glück . . . «
Am Nachmittag dieses Tages hatte der amerikanische Präsident im Weißen Haus eine Pressekonferenz abgehalten. Es wurden laufende politische Fragen besprochen. Die Sitzung hatte fast zweieinhalb Stunden gedauert. Am Ende verlas Truman meine Begnadigung. Einige hundert amerikanische Journalisten waren anwesend. Ich erfuhr die Einzelheiten am nächsten Tag aus der Zeitung.
»Warum haben Sie Gimpel begnadigt, Mr. Präsident?« wurde Truman gefragt.
»Gimpel war Spion«, entgegnete Truman, »ein Spion ist ein Mann, der für sein Land kämpft. Kein Land der Welt kommt im Krieg ohne Spionage aus . . . Wir haben selbstverständlich in Deutschland auch unsere Leute gehabt. Es ist üblich, daß man Spione im Kriege hängt. Es ist aber auch üblich, daß man sie nach Kriegsende begnadigt.«
Der Präsident lächelte steif in die Kameras der Wochenschauen, in das Blitzlicht der Fotografen.
»Deshalb habe ich mich entschlossen, die Todesstrafe in eine lebenslängliche Freiheitsstrafe umzuwandeln.«
Ich sol te die Hand des unsichtbaren Gefängnisdirektors von Leavenworth noch lange zu spüren bekommen. Ich schaufelte vier Jahre lang Kohlen. Der Stumpfsinn der mechanischen Arbeit hielt anfänglich alle Gedanken von mir ab.
Aber dann wurden sie immer drängender.
Lebt mein Vater noch? Wie sieht es in Deutschland aus? Komme ich jemals aus dem Zuchthaus heraus? Nimmt dieses Warten auf nichts, nimmt diese stupide Hoffnungslosigkeit, diese Orientierung nach ein paar Zigaretten, nach einem Stückchen Schokolade jemals ein Ende? Werde ich jemals wieder mit Leuten sprechen, die nicht von ihrem Verbrechen schwärmen oder ihre Unschuld beteuern? Werde ich jemals wieder als freier Mann ein Restaurant betreten und mir aussuchen, was ich wünsche?
Ein Gedanke, ein Vorsatz, eine fixe Idee setzte sich in meinem Kopf fest: Tag und Nacht dachte ich nur noch an die Flucht. So hoffnungslos es schien: Ich wol te es versuchen, und ich traf meine Vorbereitungen. Ganz langsam, ganz geduldig, ganz unauffällig.
Ich konnte mich jetzt innerhalb der Strafanstalt schon viel freier bewegen. Auf drei Seiten war es unmöglich, aus Leavenworth zu entkommen. Nach der vierten bildete das Zellenhaus die natürliche Mauer, die noch zusätzlich im Abstand von einigen Metern durch einen Drahtzaun geschützt war. Ringsum standen Wachttürme. Sie wurden von Posten mit Maschinengewehren besetzt.
Aber die Wachen pflegten zu schlafen. Der Drahtzaun war nachts angestrahlt.
Seit Jahren hatte niemand versucht, über ihn zu entkommen. Es gab ganz andere Gelegenheiten. Tagsüber, beim Außendienst. Hier unternahmen
mitunter Vorzugsgefangene ihre Fluchtversuche. Zwei-, dreimal im Monat heulten die Sirenen in Leavenworth; das hieß: Häftling entflohen. Die Farmer aus der Umgebung strömten dann zusammen und begaben sich auf die Jagd.
Für jeden entflohenen Häftling, den sie stel ten, erhielten sie eine Belohnung von fünfzig Dol ar. Manche von ihnen hatten es schon zu ganz beträchtlichen Nebeneinnahmen gebracht und waren für die Fahndung trainiert.
Ich wollte es auf eine andere Art versuchen. Man ließ mich ja nicht außerhalb der Anstalt arbeiten. Dafür sorgte der Direktor. Einmal ging im Maschinenhaus der Kohlenaufzug zu Bruch. Die gesamte Heizanlage drohte auszufallen. Eine Katastrophe schien bevorzustehen. In Kansas ist es im Winter sehr kalt. Der leitende Ingenieur der Strafanstalt versuchte verzweifelt, den Schaden zu beheben. Es gelang ihm nicht. Er erinnerte sich an mich. Wir schafften es zu zweit. Aber der Direktor durfte nicht erfahren, daß ich mitgeholfen hatte.
Der Ingenieur forderte mich als Hilfskraft an. Er machte meine Fachkenntnisse dem Anstaltsleiter schmackhaft. Aber er hatte kein Glück. Ich blieb, wo ich war
— und sann weiter auf Flucht. Tag und Nacht.
Zuerst mußte ich versuchen, aus dem Zel enhaus herauszukommen, das nachts
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