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Spion Für Deutschland

Spion Für Deutschland

Titel: Spion Für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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kommt auf jeden Häftling ein Wärter. Es waren fast nie mehr als zweihundert Gefangene auf der
    »Teufelsinsel«. Ich war der kleinste Fisch unter ihnen. Mit nur einmal lebenslänglich< mußte ich mich sehr zurückhaltend benehmen. Einer meiner Mitgefangenen war zu sechshundert Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Viele hatten lebenslänglich und einen Tag«, manche 199 Jahre, andere dreimal lebenslänglich und einen Tag< erhalten. Hier hatte Al Capone, der berüchtigtste amerikanische Gangsterboß, einen Teil seines Lebens zugebracht.
    Der prominenteste Insasse zu meiner Zeit war »Maschinengewehr-Kelly«, so genannt, weil er mit dem Maschinengewehr seinen Namen in die Wand schießen konnte. Er hat schätzungsweise dreißig Morde auf dem Gewissen.
    Der Captain der Wachmannschaft nahm mich in Empfang. In Alcatraz gibt es nur Einzelzellen, aber sie sind so angelegt, daß man mit seinen Nachbarleuten sprechen kann. Es sind Eisenkäfige auf einem langen Gang. Wenn man einen Spiegel
    benutzt, kann man seine Nachbarn auch sehen. Jeder Insasse in Alcatraz ist hinreichend mit Spiegeln eingedeckt. Man benutzt sie auch dazu, um die Bewegungen der Wächter zu kontrollieren.
    Der Mann in der Nachbarzel e war ein Neger. Er grinste freundlich und gab mir als Begrüßungsgeschenk eine Zeitung. Das Licht war sehr schlecht. Ich konnte kaum lesen. Ein Zivilist überraschte mich dabei.
    »Sie werden sich die Augen verderben«, sagte er.
    »Das stimmt.«
    »Ich werde dafür sorgen, daß man Ihnen Licht macht«, fuhr er fort.
    Ich dachte zunächst, daß ich jetzt wieder mit Wasser und Brot bestraft würde.
    Aber fünf Minuten später wurde in meiner Zel e tatsächlich die Glühbirne eingeschaltet. Der Mann, der dies angeordnet hatte, hieß Edwin B. Swope. Er war Direktor der Gefängnisinsel.
    So seltsam es klingt — Alcatraz war für mich eine Verbesserung. Die Insel zählte zu den Raritäten Amerikas. Fast jede Woche kamen Senatoren,
    ausländische Journalisten und Polizeifachleute zur Besichtigung und bestaunten den Musterbetrieb — das einzige Gefängnis der Welt übrigens, aus dem noch nie ein Häftling entkommen ist. Vier Gefangene war der Ausbruch über die Felsen geglückt; sie wurden im Wasser erschossen.
    Bei schönem Wetter umkreisten Ausflugsboote unsere Felsen. Wir hörten aus den Bordlautsprechern die Stimme des Fremdenführers :
    »Meine Damen und Herren, links oben an dem langgestreckten Gebäude sehen Sie die Zel e, in der Al Capone gelebt hat. Wenn Sie etwas tiefer gehen und etwas weiter nach rechts rücken, stoßen Sie auf die Zelle von >Machinegun-Kelly<. Er ist heute noch nicht der dreißig Morde überführt, die er verübt hat.
    Wenn er ein Maschinengewehr hätte, könnte er selbst auf diese Entfernung noch jeden einzelnen von Ihnen abknal en.«
    Manchmal kamen die Ausflugsschiffe zu nahe an die Insel heran. Unsere Wärter gaben dann Warnschüsse in die Luft ab. Die Gefangenen stürzten an die winzigen Ausgucklöcher in die Welt. Sie sahen hübsche und häßliche, üppige und überschlanke Frauen in leichten Sommerfähnchen. Sie sahen gepflegte Herren, die sich den Mokka mit Greuelgeschichten würzten. Sie sahen Kinder, die mit neugierigen, brennenden Augen auf die >Teufelsinsel< starrten. Bei schönem Wetter konnte man, wenn man gute Augen hatte, jede Einzelheit auf den Schiffen erkennen. Man sah, wie sich die Gäste, mit Alcatraz im
    Hintergrund, fotografieren ließen . . .
    Am Abend fuhren die Schiffe zurück. Die Menschen auf ihnen hatten sich für ein paar Dollar Nervenkitzel gekauft. Am Abend sahen wir die Lichter von San Francisco. Wir konnten die >Golden Gate Bridge<, die längste Hängebrücke der Welt, sehen. Wir klebten mit hungrigen Augen an den Lichtreklamen, und der Wind spülte mitunter Tanzrhythmen in unsere Zellen, wenn die Golf- und Segelklubs ihre Strandfeste feierten.
    Amerikanische Gefängnisse sind human. Soweit Gefängnisse human sein
    können. Jede Woche durfte ich einmal in das Kino. Die Filme waren um die Hälfte kürzer. Alles war aus ihnen herausgeschnitten, was die Häftlinge beunruhigen könnte. Vor al em die Frauen. Vor allem Liebesszenen. Vor allem Szenen, die zeigen, wie man lebt, wenn man leben darf.
    Alles ist gar nicht so schlecht. Man gewöhnt sich an die Nummer. An das Essen.
    An die Mitgefangenen. An die Mörder. An die Strauchdiebe. An die Zuhälter. In der Zelle sind die Mörder nicht die schlechtesten. Man gewöhnt sich daran, daß das Licht ausgedreht wird, daß das Radio

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