Spion Für Deutschland
Schlepptau. Sie zerschellten an einem Felsen. Ein paar Dutzend Tote. Was spielten sie für eine Rolle, wenn es um die Atombombe geht . . .
Am Weihnachtstag des Jahres 1942 landeten sechs weitere Agenten. Der Tag war gewählt worden, weil die Briten nicht zu Unrecht gehofft hatten, die deutschen Landser würden unter dem Weihnachtsbaum sitzen und Punsch
trinken. Die Saboteure gerieten in der völ ig unwirtlichen Gegend von Vemork in einen Schneesturm, wurden abgetrieben und versprengt. Es dauerte Wochen, bis sie sich wieder gesammelt hatten. Zwei Monate nach der Landung hatten sie sich endlich bis Norsk-Hydro durchgeschlagen. Am 27. Februar 1943
überwältigten sie die verstärkten Wachen, drangen in das Werk ein, sprengten die Zentrale und legten damit für fast ein ganzes Jahr den Betrieb still. Als die Produktion wiederaufgenommen werden konnte, erschienen ein paar hundert amerikanische Flugzeuge. Ihre überschweren Bomben waren stärker als Stahl und Beton.
Die ausgelagerten Vorräte an Schwerem Wasser sollten nach Deutschland geschafft werden. Die Eisenbahnfähre flog unterwegs im Februar 1944 in die Luft. Der >Secret Service< — nach wie vor der beste Geheimdienst der Welt —
hatte eine Höllenmaschine gebaut. Damit humpelte Deutschland in der
Atombombenherstellung endgültig hinter den Al iierten her.
Jetzt, ein paar Monate nach der Zerstörung von >Norsk-Hydro<, saß ich in einer Hafenkneipe von Kristiansand und trank Holzschnaps. Er schmeckte nicht.
Es schmeckte überhaupt nichts im Jahre 1944. Ein paar Stunden noch, dann mußte ich wieder an Bord gehen. Mit U 1230 nach Amerika. Um zu erkunden, wie weit die Amerikaner mit der Atombombe waren.
Um zu erfahren, mit welchen Mitteln man die Produktion stilllegen könnte. Die Alliierten hatten das geschafft. Wohl dem, der es hinter sich hat . . .
Am nächsten Morgen lief U 1230 aus. Wir fuhren in 80 Meter Tiefe. 90
Umdrehungen der Maschine ergaben zwei Meilen Geschwindigkeit. Wir
schafften 50 Meilen täglich.
Es war gespenstisch. Der Atlantik wurde zu Wasser und in der Luft von den Alliierten beherrscht, und wir schickten uns an, ihn mit einem winzigen Boot im Schneckentempo zu überqueren. Wir hatten uns an manche U-Boot-Gepflogenheiten zu gewöhnen. Während des ganzen Krieges ist kein Boot an einem 13. ausgelaufen. Auch an keinem Freitag. Wir hatten uns mit den Toiletten abzufinden. Man mußte seitwärts durch ein Loch einsteigen und kam nach allerlei Verrenkungen zum Ziel. Wer das zum erstenmal schaffte, erhielt nach altem Brauch ein Scherzdiplom. Am vierten Tag detonierten die ersten Bomben um das Boot. Fliegeralarm! Alarmtauchen! Blitzartig wurde das Turmluk geschlossen. Das Licht ging aus. Das Boot sank nach unten. Die Luft wurde schlecht. Die ewige Schallplattenmusik — in jedem Raum des U-Bootes von früh bis spät zu hören — verstummte. Der Kapitän gab seine Anweisungen. Billy stand neben mir und hielt meine Hand fest.
»Was machen wir«, fragte er, »wenn uns eine Bombe trifft?«
»Dann saufen wir ab«, erwiderte ich. »Dann haben wir es hinter uns.«
Er vergaß zu grinsen.
Wir horchten auf die Bomben. Wir spürten die Erschütterungen im Boot. Die Detonationen waren seltsam lang und seltsam fern, etwa so, als ob in einem Tunnel geschossen würde.
Das Licht ging wieder an. Die Gesichter der Mannschaft entspannten sich.
»Vorbei«, sagte ein Maat neben mir. »Man muß nur rechtzeitig verschwinden.
Wasserbomben sind viel schlimmer.«
Wir blieben unter Wasser. Wenn der Feind ein U-Boot ausgemacht hatte, fehlte es ihm weder an Zeit noch an Gründlichkeit, noch an Fantasie, es zu verfolgen.
Wir schlugen Haken. Wir wechselten den Kurs. Lilli Marleen sang wieder, aber wir wußten, daß sie jeden Augenblick durch die Detonationen von Bomben zum Schweigen gebracht werden konnte.
»Weißt du schon, wo wir landen?« fragte mich Billy.
»Nein«, erwiderte ich.
»Es ist zu dumm, daß wir uns auf die Sache eingelassen haben«, fuhr er fort.
»Es ist doch verrückt.«
»Das hättest du dir früher überlegen sol en. Du sagtest doch, daß du Amerika haßt.«
»Stimmt genau«, entgegnete er. »Aber ich liebe mein Leben.«
»Ich etwa nicht?«
Ich sah ihn von der Seite an. Margaretes Worte fielen mir wieder ein. Ich sah sie vor mir, klein, mit ihren überblauen, lebhaften Augen, mit ihren weichen, wohlgepflegten Händen. Ich hörte sie sagen:
»Ich traue ihm keine Sekunde . . . Du wirst sehen, er wird dich verraten. Sieh dir nur
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