Spion Für Deutschland
seine Affenarme an und dann die Augen. Er kann einen doch nie richtig ansehen. Du hast dir da was Schönes aufgelesen. Der Stolz vom Amt VI? Ihr werdet euch noch wundern.«
Es war zu spät, mir zu überlegen, ob ich ihm trauen konnte oder nicht. Ich war auf ihn angewiesen. So oder so. Er trug sein Herz auf der Zunge. Na, wenn schon, er war noch jung und hatte wenig im Krieg erlebt. Wem schlägt das Herz schon ruhig in der Brust, wenn Bomben detonieren?
Wir krochen weiter im Zwei-Meilen-Tempo über den Atlantik. Tagsüber durfte an Bord wegen der feindlichen Horchgeräte kein lautes Wort gesprochen werden. Selbst unter Wasser wurde nur geflüstert. Immer, wenn es dunkelte, tauchten wir auf Sehrohrtiefe (13 Meter). Wenn es still war, wurde der Schnorchelmast aufgerichtet. Der Schnorchel versorgte Maschinen und
Mannschaft mit Sauerstoff. Wenn er wegen Feindberührung nicht benutzt werden konnte, arbeiteten die Maschinen elektrisch. Der Sauerstoff im Boot reichte für die menschlichen Lungen noch 36 Stunden. Dann war es aus.
Die ständige Spannung raffte die Zeit. Sechsundvierzig Tage waren wir unterwegs. Lauernd, belauert. Wir gewöhnten uns an die Enge. An die schlechte Luft. An die Wasserbomben. An das Flüstern. An die Übermacht. An die Verlassenheit. Die Männer sprachen wenig von zu Hause und dachten viel daran. Zu dieser Zeit wagte sich ohne besonderen Befehl kein U-Boot mehr so weit in den Atlantik. Ob wir wieder heimkamen? Wer mehr Chancen hatte: die Besatzung von U 1230, die noch einmal über das Meer zurück mußte, oder ich, der ich mich an die Atomrüstung heranzumachen hatte?
Wer krank wurde, hatte Pech. Es gab keinen Arzt. Wer noch einen Blinddarm hatte, blieb besser zu Hause. Wer starb, wurde in seine Hängematte gewickelt.
Um den Körper wurde die Reichskriegsflagge gewunden. An Bord war eine genügende Menge von Reichskriegsflaggen.
Der Tod streifte uns zwischen den Färöern und Island. An den Bomben waren wir glücklich vorbeigekommen. Aber wir wären erstickt, wenn nicht
Obermaschinist Böttger blitzschnel ohne Befehl gehandelt hätte. Der Schnorchel ragte so wenig wie möglich aus dem Wasser. Sooft er überspült wurde, entstand im Boot Unterdruck: er legte sich auf die Ohren, trieb die Herzen an, verdünnte den Atem und machte den Kopf schwindlig. Die
Konservenbüchsen krachten unter dem Druck oder wechselten die Form, wenn sie nicht platzte.
An dem Unglückstag mußten wir bei hohem Seegang Schnorcheln. Eine
haushohe Wel e überflutete unser Luftventil. Die Auspuffgase konnten nicht entweichen. Sie strömten in das Boot. Sie griffen nach unserem Bewußtsein. Es schwand. Die Diesel waren aus vol er Fahrt heraus abgewürgt worden. Mit einem Schlag, den in dieser Sekunde noch niemand begriff. Niemand außer Obermaschinist Böttger, der an der Dieselmaschine stand. Er erfaßte die Situation und riß die Kupplung der Dieselmotoren heraus, trennte den Antrieb vom Motor und schaltete auf Elektroantrieb um. Es war höchste Zeit. Acht Mann der Besatzung, darunter Böttger, brachen zusammen.
Das Boot, das bei Aussetzen der Dieselmotoren plötzlich nach unten abgesackt war, kam langsam wieder hoch.
»Auftauchen!« befahl Kapitänleutnant Hilbig.
Von Preßluft hochgerissen, schoß U 1230 wie ein Fisch aus dem Wasser. Das Turmluk wurde aufgestoßen. Frische Nachtluft strömte herein. In letzter Sekunde. Ein winziges Zaudern noch — und das Auspuffgas hätte uns getötet.
Die acht bewußtlosen Besatzungsmitglieder wurden an Seilen durch den Turm an Deck gezogen. Das Glück wollte es, daß kein feindliches Kriegsschiff in der Nähe war.
Immer näher rückte Amerika. Immer näher das Verhängnis. Ich prüfte mein Gepäck. War es Nervosität oder mein sechster Sinn? Ich brach die mir mitgegebenen Dollarpäckchen auf und stel te fest, daß sie in Banderolen mit der Aufschrift: >Deutsche Reichsbank< verpackt waren. Unter tausend Schwierigkeiten hatte man mir amerikanische Schuhe, Hemden, Pistolen und Kleidungsstücke verschafft. Die verräterischen Banderolen zu entfernen, hatte man vergessen.
Vier Tage trennten uns noch von Amerika. Wir standen in ständiger
Funkverbindung mit unserer deutschen Zentrale. Wir steuerten direkt auf die vereinbarte Landungsbucht, die French-man-Bai im Staate Maine, zu. Der Signalmaat stürzte aus seiner Kabine und drückte dem Kommandanten Hilbig einen Funkspruch in die Hand. In ein paar Minuten hatte ihn Hilbig
entschlüsselt. Ich stand neben ihm. Er sah mich
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