Spion Für Deutschland
saß mit Gilles im Fond des Wagens.
»Es wäre Zeit, einen Whisky zu nehmen«, sagte ich. »Ich hätte auch Appetit«, erwiderte Nelson.
»Na also. Darf ich die beiden Herren viel eicht zu einem Drink einladen?«
»Aber Sie werden doch nicht so gehen wol en!« Nelson lachte.
»Machen Sie halt für einen Drink die Handschellen auf. Ich laufe Ihnen bestimmt nicht davon.«
»Das glaube ich«, antwortete Nelson, «... aber viel eicht findet sich auf meinem Büro noch ein Schluck.«
Connelly erwartete uns. Er trug einen dunklen Anzug mit heller Krawatte. Er sah unternehmungslustig aus.
»Herzlich willkommen«, sagte er. Es klang spöttisch, aber nicht gehässig.
»Ganz Amerika freut sich zur Stunde«, sagte er. »Sie wissen gar nicht, was wir al es angestellt haben, um Sie zu fangen. Das nächstemal dürfen Sie Ihr Kleingeld nicht mehr in die Brusttasche stecken. Dadurch haben Sie sich verraten.«
»Ich werde es mir merken, Mr. Connel y«, entgegnete ich.
Er klopfte mir auf die Schultern.
»Er ist nett«, sagte er, »unser Freund Gimpel.«
Er wußte also auch bereits meinen richtigen Namen.
»Wo ist Billy?« fragte ich.
»Nebenan. Haben Sie Sehnsucht nach ihm?«
»Keineswegs.«
»Sie gefallen mir gut«, sagte Connelly. »Aber mit Ihrem Freund möchte ich nichts zu tun haben. Sie hätten uns die Arbeit abnehmen können. Jetzt müssen wir ihn aufhängen.«
Connelly goß mir einen Whisky ein.
»Trinken Sie ihn«, sagte er, »das tut gut . . . Sie haben eine lange Nacht vor sich und einen langen Tag. Wir müssen Sie jetzt ins Kreuzverhör nehmen. Aber wir werden es Ihnen so angenehm machen wie möglich.«
Ich ging auf seinen Ton ein.
»Kreuzverhöre sind überhaupt angenehm«, erwiderte ich. »Sie machen die Zeit so kurz.«
Zwei Beamte kamen vom >Pennsylvania-Hotel< zurück. Sie brachten meine ganze Spionageausrüstung: Geld, Diamanten, Fotogeräte, Geheimtinte, Pistolen und Teile meines Senders.
»Eine schöne Sammlung haben Sie da«, sagte Connel y. Er setzte sich an seinen Schreibtisch. Hinter ihm hing, beinahe lebensgroß, Präsident Roosevelt im Silberrahmen. Das Bild war leicht angelaufen. Es sah aus, als ob der Präsident schwitzte. Ich betrachtete ihn mir eingehend. Ich hatte die Vision, daß er mir mit dem linken Auge zublinzelte.
Connelly drehte sich nach dem Bild um und lächelte.
»Der Herr weiß schon Bescheid«, sagte er. »Er wurde vor einer halben Stunde durch Mr. Hoover benachrichtigt. Mr. Hoover ist der oberste Chef der FBI. Das wissen Sie, nicht?« Er gab mir eine Zigarette, zündete sie an. »Sie können sich wirklich nicht über Mangel an Aufmerksamkeit beschweren. So weit wie Sie hat es eigentlich noch kein deutscher Agent gebracht.«
Er stand auf und ging im Zimmer hin und her.
»Noch einen Schluck Whisky?« fragte er.
Ich nickte.
»Haben Sie Hunger?«
»Ja.«
»Sagen Sie, was Sie möchten, Sie bekommen, was Sie wol en. Nicht nur heute.
Sie sind in besten Händen. Wenn Sie gegessen haben, sprechen wir weiter«, sagte er dann. »Guten Appetit!«
Er gab einem Beamten einen Wink. Der Agent führte mich aus dem
Dienstzimmer im Hauptquartier der New Yorker FBI in einen Raum, der als Behelfszelle hergerichtet war.
»Bringen Sie mir Steaks mit Pommes frites. Hinterher Eiscreme und einen Schluck Bourbon. Viel eicht können Sie auch noch etwas Konfekt mitbringen und ein paar Päckchen Zigaretten.«
»Wird gemacht«, antwortete der Beamte. Er sperrte die Tür sorgfältig zu.
Ich setzte mich auf die Pritsche und hörte, wie sich zwei Männer vor der Tür halblaut unterhielten. Es war Nacht. Am Horizont sah ich improvisierte Feuerwerke. Knallfrösche, Luftheuler und Pappkanonenschläge detonierten. Das neue Jahr war auf dem Marsch.
Prosit Neujahr! sagte ich mir und schlug mich mit der Faust gegen die Stirn.
Während ich auf meine Steaks wartete, hatte ich für mich nichts übrig als abwechseln d Spott und Mitleid.
Letztlich konnte es mir egal sein, ob sie mich mit Höflichkeit hinrichteten oder nicht. So korrekt auch das Verfahren sein mochte, das man gegen mich anstrengte: Sein Ausgang stand zwangsläufig fest. In allen Ländern der Erde.
Auf Spionage steht während des Krieges der Tod. Jeder Agent weiß das. Und jeder Agent hat nur einen Schutz dagegen: sich nicht fassen zu lassen. Die Pommes frites dufteten, das Steak war von der saftigen, nur halb
durchgebratenen Art, die ich sonst so schätzte, aber mir blieb jeder Bissen im Halse stecken. Vielleicht begann jetzt
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