Spion Für Deutschland
wandte er sich an den Präsidenten,
»habe ich als Verteidiger von Mr. Gimpel einen Antrag zu stel en.«
»Bitte«, entgegnete der Präsident.
Haigney legte eine Kunstpause ein.
»Hohes Gericht«, begann dann der Major, »Sie urteilen hier über zwei Männer, von denen der eine deutscher und der andere amerikanischer Bürger ist.
Deutschland und Amerika liegen miteinander im Krieg. Sie sind offene Feinde . .
. Die Verteidigung ist der Meinung, daß es nicht angeht, einen Landesverräter wie Colepough zusammen mit einem deutschen, wenn auch feindlichen
Patrioten abzuurteilen ... Ich will dem Hohen Gericht nicht vorgreifen, aber jedermann hier im Saal weiß, daß der Mitangeklagte Colepough der
erbärmlichste Amerikaner ist, der jemals vor Gericht stand. Die Verteidigung befürchtet, daß sich die berechtigte Empörung, die die amerikanische Nation über die Tat des Colepough hat, automatisch auch auf meinen Mandanten übertragen wird, dessen Tat nach Ansicht der Verteidigung mit ganz anderen Augen zu betrachten ist.«
Der Präsident unterbrach ihn.
»Sie wol en also«, fragte er, »daß wir zwei Verfahren durchführen?«
»Genau das wollte ich beantragen, Hohes Gericht«, antwortete Haigney.
Carry war sofort zur Stel e. Er versuchte mit juristischen Argumenten Haigneys Antrag niederzukontern. Die Kommission schwankte offensichtlich in ihrer Beurteilung. Es entwickelte sich ein heftiges juristisches Rededuell, das über zwei Stunden dauerte und von dem ich nicht einmal die Hälfte verstand. Ich begriff nur so viel, daß meine Verteidiger behaupteten, durch die Abtrennung der Fälle Colepough und Gimpel würde das Verfahren vereinfacht, während die Anklage das Gegenteil zu beweisen suchte. Die Kommission zog sich eine Stunde zur Beratung zurück.
Wieder schlug der Präsident mit seinem Holzhammer auf den Tisch.
»Der Antrag der Verteidigung des Angeklagten Gimpel ist von der Kommission abgelehnt worden«, verkündete er.
Er wandte sich sodann an Major Carry:
»Fahren Sie fort.«
Wieder kam der Major auf mich zu:
»Ich frage den Angeklagten Gimpel, wie er sich zur Anklage stellt.«
Ich stand auf. Es ist ein seltsames Gefühl, wenn einen plötzlich ein paar hundert Augen anstarren. Ich mußte dem Rat meiner Verteidiger folgen. Von dem juristischen Hintergrund des Falles wußte ich wenig. Ich dachte nur, daß es seltsam klänge, wenn ich hier meine Unschuld betonte, nachdem ich in der Voruntersuchung ja bereits gestanden hatte, mit einem wichtigen
Spionageauftrag nach Amerika gekommen zu sein. Ich suchte die Brüchigkeit meiner Stimme zu verbergen, blickte geradeaus und erwiderte, wie geheißen:
»Not guilty.«
Die gleiche Frage wurde nun an Colepough gerichtet. Auch er entgegnete, daß er unschuldig sei.
Der Ankläger begann nun, seine Anklagepunkte im einzelnen zu begründen. Er offenbarte eine einzigartige Fleißarbeit der FBI. Es war ihr gelungen, fast jeden unserer Schritte auf amerikanischem Boden zurückzuverfolgen. Darüber hinaus wußte der amerikanische Geheimdienst Einzelheiten über unser Vorleben, daß wir aus der Verwunderung nicht mehr herauskamen. Der seltsame Weg Billys von Boston nach Berlin war mit allen Stationen richtig wiedergegeben. Major Carry kannte sogar die Namen der deutschen Beamten, die mit dem Überläufer in Verbindung gekommen waren. Er legte Bil ys Zeugnisse der Marineakademie vor. Er bewies die Kollaboration des ehemaligen amerikanischen Seekadetten mit deutschen diplomatischen Missionen. Was mein Vorleben betraf, so war Major Carrys Erzählung ein bunter Strauß von Wahrem und Falschem, von Übertriebenem und Unterstelltem. Trotzdem war es erstaunlich, mit welcher Sorgfalt die FBI meine Vergangenheit durchröntgt hatte.
Das Mittagessen wurde mit Verspätung eingenommen. Der Vorsitzende ließ die Verhandlung nur für eine Stunde unterbrechen. Gegen 16 Uhr nachmittags ging die Darstellung der Anklage weiter. Carry blieb bemerkenswert sachlich und leidenschaftslos. Er wirkte jetzt wie ein überpedantischer Schulmeister, der in der Fortbildungsschule für Erwachsene über die Schlacht im Teutoburger Wald spricht. Ich begriff nicht, warum man ihn mir als besonders fanatisch und aggressiv geschildert hatte. Aber ich sollte es bald erfahren.
»Hohes Gericht«, sagte Carry am Ende unserer Biographie, »ich habe
aufgezeigt, wie die beiden Angeklagten an Bord eines feindlichen U-Bootes in unser Land gekommen sind, um gegen uns zu arbeiten. Ich habe hier den Weg von der
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