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Spion Für Deutschland

Spion Für Deutschland

Titel: Spion Für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Kein amerikanisches Gericht verzichtet auf den Effekt, auf die Optik, auf das Schauspiel. Auf dem Tisch des Vorsitzenden lag ein riesiger Holzhammer. Der Tisch war mit dem Sternenbanner, der
    amerikanischen Nationalflagge, eingesäumt. Mit dem Ausdruck der eiskalten Gleichgültigkeit sah mir der übergroße Kopf Roosevelts aus seinem Holzrahmen in das Gesicht.
    Alle starrten mich an. Meine Verteidiger winkten mir. Ich nahm zwischen den beiden Majoren Platz. Sie nickten mir aufmunternd zu. Eine Minute nach mir wurde Billy hereingeführt. Man spürte förmlich die Welle der Animosität, die ihm entgegenschlug. Es wurde gezischt und getuschelt.
    Vor Beginn der Verhandlung mußte sich alles von den Sitzen erheben: die Mitglieder der Jury, die Vertreter der Anklage, der Verteidigung, das Gerichtspersonal und alle Zuhörer mußten gemeinsam schwören, über alle Einzelheiten dieser Verhandlung Stillschweigen zu bewahren.
    Der Präsident, Oberst Clinton J. Harrold — er trug wie alle Mitglieder des Gerichts Uniform —, nahm seinen Holzhammer und schlug damit feierlich dreimal auf den Tisch. Harrold war groß, schlank und grauhaarig und hatte eine gesunde Gesichtsfarbe. Er sprach langsam und überdeutlich und war bestrebt, sich besonders gewählt auszudrücken. Er wirkte so gepflegt wie ein
    amerikanischer Präsidentschaftskandidat vor dem Fernsehschirm. »Die Sitzung ist eröffnet«, sagte er.
    Mit einem Ruck sprang Major Carry, der Ankläger, von seinem Stuhl hoch. Er war klein und sehnig, hatte schwarze Haare, ein blasses straffes Gesicht und dunkle, starre Augen. Er sprach sehr deutlich, sehr überzeugend. Die Armee bot selbstverständlich ihren besten Ankläger auf.
    Am Morgen hatte mein Wärter zu mir gesagt: »Seien Sie vorsichtig mit Carry; der Mann ist verdammt gefährlich.«
    Ich kannte den Major schon. Laut Gerichtsverfassung hatte er mir unter vier Augen die Anklageschrift zu überreichen und mir dabei zu eröffnen, daß ich vor Gericht stehen würde. Diese Formel mußte mir als freiem Bürger aufgesagt werden. Deshalb wurden mir die Handschellen abgenommen. Als der Major seinen Spruch herunterleierte, fiel mir auf, daß er seinen rechten Arm abgewinkelt auf dem Rücken hielt. Ich dachte zuerst, daß er im Krieg verwundet worden sei und sich deshalb angewöhnt hatte, die verletzte Hand zu
    verstecken. Später erfuhr ich, daß er in der Hand eine entsicherte Pistole gehalten hatte. Er war vom Inhalt seiner Anklageschrift, die mich als den gefährlichsten deutschen Spion bezeichnete, so überzeugt, daß er diese Sicherheitsmaßnahme für notwendig hielt . . .
    »Wenn es dem Hohen Gericht gefällt«, begann Carry — er sprach langsam, tief und kokettierte beständig mit seiner sorgfältigen Aussprache —, »werde ich mit der Anklage beginnen. Es handelt sich um den Fall >Vereinigte Staaten von Nordamerika gegen Erich Gimpel und William Curtis Colepough<.«
    »Fangen Sie an!« sagte der Präsident.
    Major Carry setzte sich in Positur. Seine Stimme klang jetzt heller. Er wirkte beteiligter. Seine nonchalante Routine war unverkennbar. Der Mann hatte schon Hunderte Male vor Gericht gestanden und die Anklage vorgebracht. Ich hingegen saß zum erstenmal auf einer Anklagebank. Wenn ich etwas ebenso fürchtete wie das Urteil, dann die Verhandlung selbst.
    Ich betrachtete mir die Mitglieder der Gerichtskommission.
    Ich sah von einem zum anderen, und ich hatte das Gefühl, daß ein zäher, undurchdringlicher Schleier zwischen uns stand.
    »Die Gefangenen Erich Gimpel und William Curtis Colepough«, fuhr Carry fort,
    »Feinde der Vereinigten Staaten, passierten im Monat November 1944 heimlich und in Zivil und im Auftrag des Deutschen Reiches, einer feindlichen, kriegführenden Nation, die Küsten- und Landbefestigungen der Vereinigten Staaten mit der Absicht, Spionage und andere feindliche Handlungen
    durchzuführen. Die Anklage ist bereit, im Laufe dieser Verhandlung darüber den Beweis zu führen.«
    Carry setzte sich langsam. Er lehnte sich nach hinten, blätterte in den Akten und demonstrierte kühle Langeweile. Der Vorsitzende, Colonel Clinton J.
    Harrold, warf Carry einen Blick zu. Der Ankläger stand wieder auf, ging ein paar Schritte auf mich zu, sah mich an, hob seine Stimme:
    »Ich frage nunmehr den Angeklagten Erich Gimpel, ob er sich für schuldig im Sinne der Anklage bekennt.«
    Ich stand auf, aber Major Haigney, einer meiner Verteidiger, kam meiner Antwort zuvor.
    »Bevor wir in das Verfahren eintreten«,

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