Spion Für Deutschland
freier Mann. Mit gewissen Auflagen natürlich. Nach Kriegsende können Sie Amerika verlassen oder hierbleiben. Die Entscheidung darüber liegt ausschließlich bei Ihnen. Sie werden nie vor ein Kriegsgericht kommen. Die amerikanischen Zeitungen wissen von Ihnen gar nichts. Verstehen wir uns? Es gibt einfach keinen deutschen Spion Gimpel. Es gibt einen deutschen Sprecher für alliierte Rundfunksender, für den wir uns noch einen Namen und eine Geschichte ausdenken werden.«
Er unterbrach sich, blieb stehen und sah mir starr in die Augen. Die beiden Majore fixierten mich. Es vergingen ein paar Sekunden. Der Ventilator surrte leise. Es war warm im Zimmer. Die Amerikaner huldigten der Unsitte, ihre Räume zu überheizen. Vor dem Fenster ertönte ein Pfiff. Wachablösung. Und dann hörte ich ein paar Takte Musik, die mein Mithäftling aus dem Orchester Benny Goodman auf seiner Trompete blies.
Dann kam Lachen, Schritte dröhnten vor der Tür. Ein Mann blieb auf dem Gang stehen und entfernte sich wieder langsam . . .
Die drei Offiziere starrten mich immer noch an. Wieder war das trockene Gefühl in meinem Mund. Ich fuhr mir ein paarmal mit der Zunge über die Lippen. Sie waren spröde. Ich wollte etwas sagen, aber ich brachte kein Wort heraus. Es war auch ganz unwichtig. Was ich sagen wol te, konnte ich nicht sagen. Und was ich Ihnen erwidern mußte, wußten sie bereits.
»Verdammt heiß«, sagte einer der beiden Majore. Er öffnete das Fenster, sah einen Augenblick in den Hof hinaus.
Ich zündete mir eine Zigarette aus der Camel-Packung des Obersten an. Er gab mir Feuer, klopfte mir dabei auf die Schulter.
»Morgen um zehn Uhr können Sie uns Bescheid geben. Ihr Schicksal liegt in Ihrer Hand. Wenn Sie wol en, können Sie natürlich Ihr eigener Henker sein.«
Ich ging zurück in meinen Drahtverhau und warf mich auf meine Pritsche. Jenes Gemisch aus Haß, Furcht, Trotz und Selbstmitleid überkam mich. Ich hätte am liebsten gleichzeitig geschrien und geweint. Ich trommelte mit meinen Fäusten sinnlos gegen die Drahtmaschen.
»O. K., Boy«, rief ein Posten lachend, »ich weiß schon, was dir fehlt.« Er schob mir eine Zigarette durch das Gitter.
Meine beiden Verteidiger besuchten mich. Ich erzählte ihnen von dem Angebot der OSS. Sie zuckten die Schultern und machten keinen Versuch, mich zu beeinflussen. Später sagte Major Reagin zu mir:
»Ich hätte von Ihnen gar nicht erwartet, daß Sie anders handeln. Ich muß sagen, ich hätte Sie auch gar nicht so gerne verteidigt, wenn Sie damals in Ihrer Haltung geschwankt hätten. Für mich sind Sie ein Soldat und nichts weiter. Ich bin auch einer. Eigentlich trennt uns nur die Farbe der Uniform. Und die Sprache.« Der Trick meiner Verteidiger war übrigens gelungen. Die Verhandlung war um eine Woche verschoben worden.
»Nach meiner Berechnung«, sagte Reagin, »ist der Krieg im Mai 1945 zu Ende.
Uns fehlen vier Wochen. Wie wir darüber hinwegkommen sollen, weiß ich nicht.
Die Verhandlung beginnt am 6. Februar. Sie wird mindestens eine Woche dauern. Etwa vier Wochen nach der Urteilsverkündung wird man den Spruch der Richter vol strecken. So ungefähr in der zweiten Aprilwoche. Ich kalkuliere, daß der Krieg in der zweiten Maiwoche beendet sein wird. -Aber diese verdammten vier Wochen werden Ihnen vielleicht das Leben kosten.«
In eine seltsame Lage war ich geraten. Meine einzige Chance bestand darin, daß mein Vaterland auf schnellste Weise kapitulierte. Es war furchtbar. Die Vernichtung Deutschlands war die Voraussetzung, daß ich weiterleben durfte.
Ich konnte, ich durfte, ich mußte auf die totale Niederlage spekulieren. Und mein Bruder war bei Stalingrad gefallen. Und mein Vater war im Ersten Weltkrieg verwundet worden. Und meine besten Freunde waren im Norden, im Osten, im Westen geblieben. Und Millionen waren für >Führer, Volk und Vaterland< gefallen. Und erst, als der letzte von ihnen im Schlachthaus des Lebens geblieben war, desertierte der Hauptschuldige, dem sie die >größte Zeit Deutschdands< zu verdanken hatten, ins Jenseits ...
Meine Wärter taten alles, um mich aufzuheitern. Aber mein größter Feind waren meine eigenen Gedanken. Die Lebensgier -in. mir potenzierte sich. Tag und Nacht sinnierte ich darüber nach, was ich alles v ersäumt hätte. Mich befielen Vorstellungen, die einen Psychiater interessieren könnten. Ich fuhr in Cadil acs, badete in Miami, küßte überschlanke, wunderschöne Frauen, ließ mir
Maßanzüge schneidern, aß
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