Spione, die die Welt bewegten
Jahrhundert
Domherr in Würzburg. Er überfiel und beraubte reiche Bürger und wenn sich diese wehrten, wurden sie sofort von ihm exkommuniziert.
Domherr Dietrich von Neuenahr predigte im 15. Jahrhundert sonntags zu seinen Schäfchen im Dom zu Köln. An manchen Wochentagen
legte er jedoch seine Rüstung an und überfiel zusammen mit seinen Kriegsknechten fromme Gläubige, um sie auszurauben. Ebenfalls
im 15. Jahrhundert boten adelige Nonnen im Kloster Mariensee bei Hannover den Reisenden günstige Übernachtungsmöglichkeiten
an. Doch in der Nacht wurden die Gäste heimlich bestohlen, oder es wurden ihnen gegen |93| Bezahlung Liebesdienste angeboten. Als Herzog Wilhelm von Braunschweig den Sündenpfuhl ausräumen ließ, saßen die Nonnen auf
dem Kirchendach und warfen mit Steinen.
Mutig waren die Raubritter schon, und der Volksmund preist noch heute ihre Taten. Sogar ihre hoch stehenden und mächtigen
Standesgenossen, die Fürsten, sprachen manchmal wohlwollend von ihnen. Markgraf Friedrich von Brandenburg tadelte die Raubritter
in seinem Gebiet und gestattete ihnen zwar, die Taschen der „Pfeffersäcke“ ruhig „einmal zu schütteln“, aber sie sollten die
Besitzer der Taschen nicht gleich „abmurksen“. Nürnberger Kaufleute beschwerten sich einmal bei Kaiser Maximilian und baten
um Hilfe gegen den Raubritter Götz von Berlichingen, der nur eine Hand hatte und den Raubritter Hans von Selbitz, der nur
noch ein Bein besaß. Der Kaiser soll daraufhin sinngemäß geantwortet haben: „Heiliger Gott, was soll das werden? Der eine
hat nur eine Hand und der andere nur ein Bein. Was würdet ihr erst tun, wenn der erste zwei Hände und der zweite zwei Beine
hätte?“
Raubritter Eppelein von Geilingen macht noch heute die Nürnberger wütend. Sie hatten ihn 1377 nach langer Verfolgung endlich
gefasst und wollten ihn auf der Stadtmauer aufhängen. Als letzter Wunsch wollte Ritter Eppelein noch einmal auf seinem Streitross
sitzen. Er wurde gefesselt darauf gesetzt und hatte die Nerven, dem Tier anschließend die Fersen in den Leib zu rammen, so
dass es über die Mauer sprang und 16 Meter tief in den Wassergraben stürzte. Ritter Eppelein konnte fliehen. Danach machte
in Deutschland ein Spruch die Runde: „Die Nürnberger hängen keinen, es sei denn, sie hätten ihn.“ Die Burg von Raub-ritter
Franz von Sickingen war uneinnehmbar und konnte erst nach schwerem Artilleriebeschuss erobert werden. Als die Sieger die Trümmer
durchsuchten und den schwer verletzten, sterbenden Raubritter fanden, meinte dieser trocken: „Nichts für ungut, hab’ jetzt
mit einem höheren Herrn zu reden“ und starb.
Eine neue Art von Krieg
Der Hundertjährige Krieg (1339–1453) zwischen England und Frankreich veränderte die Kriegsführung des Mittelalters. Klassische
Ritterheere verloren an Bedeutung und machten den Söldnern Platz, zusätzlich wurden Fußsoldaten und insbesondere die Artillerie
immer wichtiger. Schlachten waren im Spätmittelalter immer weniger ritterlich und wurden von geheimen Aktionen begleitet.
Heerführer mussten noch stärker als vorher Kriegslisten beherrschen. Der Ausgang einer Schlacht war nicht mehr wie im frühen
Mittelalter eine Art Gottesurteil, das der Mensch nicht beeinflussen konnte, sondern das Schlachtenglück hing jetzt direkt
von jedem selbst ab. Im Umfeld von Auseinandersetzungen waren alle Mittel recht, um sich einen Erfolg zu sichern. Nun wurden
auch verstärkt Spione aktiv, die manchmal sogar gezielt beim Gegner eingeschleust oder |94| angeworben wurden. Kriege wurden von nun an sowohl an der militärischen Front als auch an der Spionagefront geführt. Spione
sollten ihre Auftraggeber informieren und die Gegenseite gezielt in die Irre führen. Aufgrund von verschiedenen Dokumenten
können heute sogar solche frühen Spionageaktionen rekonstruiert werden.
Eine der ersten der heute noch bekannten frühen Spionageaffären des Mittelalters ereignete sich bereits vor dem Hundertjährigen
Krieg in London. Der englische Höfling Sir Thomas Turberville geriet bei militärischen Auseinandersetzungen zwischen England
und Frankreich in französische Gefangenschaft und wurde eingekerkert. Er saß bei Reims im Gefängnis und begann langsam die
Hoffnung aufzugeben, vielleicht eines Tages seine englische Heimat wieder sehen zu können. Da machte ihm der französische
König Philipp IV. das Angebot, er könne freikommen, wenn er in London als
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