Spione, die die Welt bewegten
Schwert und einen Strick vor sich auf dem
Tisch liegen. Ihm zur Seite standen Schöffen. Er musste streng die Regeln der Feme-Gerichtsbarkeit befolgen. Wurde der Angeklagte
als schuldig verurteilt, wurde er noch an Ort und Stelle von einem ebenfalls anwesenden Henker hingerichtet und erlebte den
Sonnenaufgang nicht mehr. Erschien der Geladene nicht und konnte auch vorher nicht entführt werden, wurde er bei einem Schuldspruch
„verfemt“ und war damit vogelfrei. Das Urteil wurde anschließend ebenfalls nachts an das Burgtor genagelt. Nun konnte der
Verurteilte getötet werden und „Wissende“ waren verpflichtet, ihn zu töten. Er erfuhr allerdings zu keinem Zeitpunkt, wer
gegen ihn geklagt hatte und warum es zur Verurteilung kam. Nur mögliche Ahnungen konnten ihm eine Auskunft geben. Misstrauen
und Verdächtigungen wurden gesät, und jeder Unbekannte konnte in Zukunft ein Vollstrecker sein. Die Vollstreckung glich einem
Meuchelmord und konnte noch Jahre später erfolgen. Allerdings mussten drei „Wissende“ als Zeugen bei der Hinrichtung anwesend
sein. Neben der Leiche wurde ein besonders markierter Dolch abgelegt, der bewies: Hier wurde ein Feme-Urteil vollstreckt.
Im Netz der Raubritter
Im Spätmittelalter beschleunigte sich der Niedergang der Ritterschaft. Durch die wachsende Macht der Fürsten wurden Ritter
immer weniger benötigt und sie verloren ihre wirtschaftliche Grundlage. Freie Bürger, die mächtigen Städte und die Kaufleute
traten in Konkurrenz zu ihnen und begannen sie zu verdrängen. Insbesondere die einfachen Ritter, die ohne ein reiches Lehen
nicht an größeren Fürstenhöfen unterkommen konnten, wurden immer öfter zu Raubrittern. Sie vergaßen ihre ritterlichen Tugenden
und taten das, wofür sie ihr Leben lang trainiert hatten: Sie kämpften. Doch der Kampf galt nicht dem Lehnsherrn, sondern
ging auf eigene Rechnung; sie kämpften, um reich zu werden.
|92| Raubritter provozierten bei jeder Gelegenheit Fehden, denn das Recht des Siegers zur Plünderung machte sie reich. Sie nahmen
vermögende Bürger und auch wohlhabende Standesgenossen gefangen, denn jede Lösegeldzahlung vergrößerte ihr Vermögen. Doch
am liebsten überfielen sie die reichen Kaufmannszüge, bei denen es wirklich etwas zu holen gab. Entlang der großen Handelswege
wie etwa Flüssen oder Fernstraßen reihten sich versteckt auf Felsen oder in tiefen Wäldern die Burgen der Raubritter. Von
dort zogen sie aus mit dem Ziel, große Kaufmannszüge, die teure Handelswaren mit sich führten, zu überfallen. Die mitreisenden
Kaufleute wurden zusätzlich gefangen genommen und erst gegen ein Lösegeld wieder freigelassen. Je länger sich die Angehörigen
mit der Zahlung des Lösegeldes Zeit ließen, umso höher wurden die Forderungen, denn die Raubritter rechneten einfach die tägliche
Kost und Logis hinzu. Ritter Götz von Berlichingen überfiel einmal erfolgreich einen Handelszug und nahm gleich 30 Händler
gefangen, die er nun zur Lösegelderpressung festsetzen musste. Sein Verlies aber war nicht groß genug. Traurig bemerkte er:
„Da hab ich Hühner und keinen Korb.“
Um über Kaufmannszüge rechtzeitig informiert zu sein, knüpften Raubritter oft mit Standeskollegen konspirative Verbindungen
und unterhielten einen eigenen Geheimdienst. Kein Raubritter war allein aktiv, sondern wurde von Knappen, Knechten und weiteren
Helfern begleitet. Vor den Lagerhallen in der Stadt oder an den Stadttoren warteten Handlanger und notierten alles, was sie
sahen. Wer ausritt und vermögend aussah, wurde begutachtet und wenn nötig verfolgt. Kundschafter wurden ausgeschickt, um Straßen
und Flüsse zu kontrollieren und dann sofort Meldung zu machen. In ländlichen Wirtshäusern und Herbergen saßen dunkle Gestalten
und mischten sich unter die Gäste, um sie auszuhorchen. Mancher Wirt erhielt eine Prämie, wenn er den Knechten der Raubritter
eilig wichtige Nachrichten zusteckte. Sogar auf die Informationen der Dorfpfarrer wurde nicht verzichtet. Beteten Kaufleute
in der Kirche für eine gute Weiterreise ohne Gefahren und erbaten sie noch vom Pfarrer den Segen, dann erhielt genau dieser
Pfarrer für seine Kirche umgehend eine Spende, wenn er anschließend zu den Verbindungsleuten eines Raubritters eilte. Mit
dem Wert der Beute stieg auch die Spende.
Mancher Kirchenherr besserte sich sogar selbst als Raubritter sein Vermögen auf. Heinrich Graf von Henneberg war im 13.
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