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Spione, die die Welt bewegten

Titel: Spione, die die Welt bewegten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Reitz
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überwacht. Es durfte keinem einzigen
     Adeligen gelingen, Bürger zu einer Revolution aufzuhetzen, und jede politische Gruppenbildung wurde im Keim erstickt. Einmal
     im Jahr wurde diese Bevormundung allerdings außer Kraft gesetzt. Dann war Karneval in Venedig und Standesunterschiede verschwanden
     kurzzeitig hinter einem kostbaren Maskenkostüm, so dass die Geheimpolizei Schwierigkeiten hatte, missliebige Bürger zu identifizieren.
     Herren sprachen sich dann mit „
sior maschera
“ („Herr Maske“) an und waren für die strenge Obrigkeit nicht mehr fassbar. Gesichtsmasken wahrten das Inkognito und garantierten
     dem Lebenshunger einen Durchbruch. Adel und Bürger waren während dieser Zeit trotz aller Trennung erotischen Abenteuern nicht
     abgeneigt und ihre Töchter und Söhne fanden zusammen. Sogar der Klerus wollte bei den Maskeraden nicht zurückstehen. Um nicht
     aufzufallen, blieb dem Erzbischof im 17. Jahrhundert nur noch übrig, auch für die Geistlichkeit beim Karneval einen Maskenzwang
     zu verordnen.
    Bei den obersten Schichten der Gesellschaft war die strenge Obrigkeit dagegen blind und taub, denn der Geheimdienst wurde
     durch sie gesteuert. Wenn es um die Interessen des Staates ging, wurden Regeln und Gesetze außer Kraft gesetzt. Berühmt und
     legendär war dabei die Rolle der Kurtisanen von Venedig, die den Aufwand von Prinzessinnen trieben, jedoch meist attraktiver
     waren als diese. Venezianische Kurtisanen waren wegen ihrer Schönheit und Raffinesse in ganz Europa begehrt. Sogar König Heinrich
     III. von Frankreich, der wie alle französischen Könige auf diesem Gebiet nicht gerade unbedarft war, verlangte bei einem Staatsbesuch
     eine Nacht ohne Protokoll. Die begehrtesten der Kurtisanen wurden vom Geheimdienst gehätschelt, denn sie waren nicht selten
     Augen und Ohren der Republik. Im verallgemeinerten und heutigen Sinn waren sie hochbezahlte „Staatshuren“, die wichtigen Persönlichkeiten
     gefielen und sie gleichzeitig aushorchten. Junge Frauen aus den einfachsten Verhältnissen konnten, wenn sie außergewöhnlich
     attraktiv waren, über notwendige Talente verfügten und keine Scheu kannten, während der Blütezeit Venedigs vom Geheimdienst
     senkrecht in höchste gesellschaftliche Kreise emporgehoben werden. Sie mussten nur wissen, dass sie ein Mittel zum Zweck waren
     und ihr schneller Reichtum bis ins hohe Alter reichen musste.
    Venezianische Botschafter
    Die Republik Venedig sowie der Kirchenstaat des Papstes waren die ersten europäischen Staaten, die dauerhafte diplomatische
     Beziehungen zu anderen Ländern anbahnten. Bereits aus dem Jahr 1268 stammt eine Anweisung, dass jeder venezianische Gesandte
     nach seiner Rückkehr innerhalb von 15 Tagen einen |103| ausführlichen Bericht über seine Erfahrungen und Beobachtungen über die Mission der Staatsführung abliefern musste. Sogar
     Fragen, die ihm im Ausland gestellt wurden und die er nicht beantworten konnte oder wollte, waren zu notieren. Um ihn vom
     Verdacht der Käuflichkeit frei zu halten, durfte kein Gesandter bei Besuchen ein persönliches Geschenk annehmen. Ihm selbst
     war es allerdings gestattet, Intrigen zu spinnen, zu bestechen und Persönlichkeiten seines Gastlandes notfalls zu erpressen.
     Venedig unterhielt sogar Botschafter, die dauerhaft im Ausland lebten und dort auch als Spione aktiv waren. Ihnen standen
     größere Geldsummen zur Bezahlung von Zuträgern und Spionen zur Verfügung. Abfangen von fremder Post, Diebstahl und Bestechung
     waren für venezianische Botschafter keine kriminellen Handlungen, sondern gehörten zur Kunst der Diplomatie. Im 16. Jahrhundert
     leistete sich Venedig feste diplomatische Vertretungen in Madrid, Wien, Rom, Paris und London; sie waren alle Spionagestützpunkte.
     In anderen Staaten gab es Niederlassungen, die rasch Diplomaten zur Verfügung gestellt werden konnten. Als das Osmanische
     Reich Handelswege nach Venedig zu blockieren begann, schickte Venedig eigens einen Botschafter nach Persien, der nur formal
     diplomatische Aktivitäten entfaltete, in Wirklichkeit aber die Aufgabe hatte, mögliche Lücken in den türkischen Sperren zu
     finden. Botschafter Josafat Barbaro reiste vier Jahre lang durch Mesopotamien, Arabien und Persien und besuchte alle wichtigen
     Handelsplätze. Er zahlte Bestechungsgelder und warb Spione an. Anschließend empfahl er dem Dogen, die türkischen Sperren im
     Norden zu umgehen. Er regte Verträge mit den Russen an, um teure indische und

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