Spione, die die Welt bewegten
chinesische Waren in Zukunft entlang des Kaspischen
Meeres sowie der Wolga zu transportieren. Dadurch könnte Venedig wieder verdienen und den Türken wäre es nicht mehr möglich,
die Preise hochzutreiben und Gewinne abzuschöpfen.
Während des Mittelalters war Latein die Sprache der Diplomaten und ihrer Korrespondenzen. Wichtige Verträge wurden in Latein
verfasst. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts setzte sich dank der Umtriebigkeit der Venezianer langsam das Italienische durch
und erst im 18. Jahrhundert das Französische, während heute das Englische dominiert.
Auch bei einer Tätigkeit im Ausland blieben einflussreiche Bürger Venedigs häufig noch Kundschafter für ihren Staat. Für venezianische
Kardinäle war es fast eine Selbstverständlichkeit, Absprachen mit dem Papst, die eigentlich geheim waren, umgehend nach Venedig
zu melden. Kardinal Domenico Grimani lebte um 1500 in der Nähe von Rom und ließ beispielsweise alle Depeschen, die durch seine
Hände gingen, heimlich abschreiben und die Kopie nach Venedig schicken.
Mit seinen Staatsarchiven war Venedig erstaunlich modern. Alle diplomatischen Korrespondenzen, geheimen Berichte und Briefe
aber auch alle Verträge und Abkommen wurden zentral archiviert und konnten dadurch gut bewacht werden. Damit unterschied sich
Venedig schon früh von vielen europäischen |104| Staaten, bei denen noch im 15. Jahrhundert viele Minister ihre von ihnen selbst bearbeiteten Staatspapiere bei sich zu Hause
lagerten. Ihnen stand dafür eine massive verschlossene Holztruhe, eine arcas (vermutlich der Vorläufer für den Begriff „Archiv“),
zur Verfügung, die nach ihrem Tod unter Aufsicht dem jeweiligen Herrscher übergeben wurde, der sie dann in seinen unterschiedlichen
Schlössern abstellte. Aus diesem Grund mussten nicht selten zahlreiche staatliche Dokumente nach dem Tod eines Königs lange
in seinen verschiedenen Wohnsitzen gesucht werden. Wichtige Geheimdokumente wurden in Venedig durch besondere Kuriere transportiert
und waren verschlüsselt. Eine eigene Staatspost, die so genannte „Bailage“, widmete sich den diplomatischen Korrespondenzen
und hatte in allen Metropolen Niederlassungen. Auch nachdem Konstantinopel in die Hände der Türken gefallen war, unterhielt
Venedig immer noch seine dortige Niederlassung der Bailage. Der Leiter der Bailage in Konstantinopel trug den Titel „Bailo“
und war allein dem Großen Rat verantwortlich. Er musste auch Gesandte betreuen, die für Verhandlungen geschickt wurden.
Gingen Dokumente verloren, wurde stets die Verschlüsselung der Texte geändert. Nicht selten waren Verschlüsselungen überraschend
einfach und doch schwer zu durchschauen. Als die Bedrohung durch das Osmanische Reich für Venedig immer dramatischer wurde,
ging 1499 einmal ein Brief eines Spions ein, der berichtete, dass Piraten ein venezianisches Schiff von 200
botti
(120 Tonnen) gekapert hätten. Diese Nachricht war ein Code, der aussagte, dass die Türken gerade dabei waren, eine Flotte
von 200 Kriegsschiffen zu sammeln.
Für die übrigen und nicht geheimen Dokumente wurde manchmal der Dienst von großen Banken in Anspruch genommen. Meist hatten
diese großen Banken ihren Sitz in Italien und unterhielten Zweigstellen im Ausland. Zusammen mit der Bankpost wurden von ihnen
auch weniger wichtige Staatspapiere und Botschaften befördert. Französische Zweigstellen von großen italienischen Banken übernahmen
sogar kostengünstig die Beförderung von amtlichen Depeschen.
Venedig im Krieg
Um seine über das Mittelmeer verteilten Besitzungen zu beschützen und die Handelswege zu kontrollieren, unterhielt Venedig
eine mächtige Flotte. Außerdem gab es in jedem größeren Hafen Spione für militärische und wirtschaftliche Interessen. Im 15.
Jahrhundert verfügte die venezianische Handelsflotte über rund 3300 Schiffe, die oft im Geleit fuhren und von Kriegsschiffen
begleitet wurden. Handelsschiffe vom allgemein verbreiteten Typ der Galeeren konnten über eine Ladekapazität von mehr als
250 Tonnen verfügen. Sie waren rund 40 Meter lang und wurden sowohl von Segeln als auch von Ruderern angetrieben. Rund 200
Mann Besatzung befanden sich auf diesen großen Handelsgaleeren, so dass aufgrund der Flottengröße in Venedig etwa 36 000 Seeleute lebten. Der |105| Schutz der Handelsschiffe durch schnelle und wendige Kriegsgaleeren war notwendig, weil es im Mittelmeer von Piraten nur so
wimmelte. Sie
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