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Spione kuesst man nicht

Spione kuesst man nicht

Titel: Spione kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Carter
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hatte geglaubt, dass ich mich kenne. Jetzt waren unsere beiden Hypothesen aus dem Fenster geflogen, und wir hatten keine Lust, wieder bei null anzufangen.
    Ich wollte ihr nicht zeigen, wie durcheinander ich war, also tat ich das Nächstliegende: Ich wurde wütend.
    »Was ist denn so unglaublich?«, fragte ich. »Dass ein Junge mich angeschaut hat?« Ich war zwar nie eine exotische Schönheit wie Bex oder eine zierliche Elfe wie Liz gewesen, aber ich hatte auch keine Eiterbeulen am ganzen Körper. Spiegel kriegen keine Sprünge, wenn ich an ihnen vorbeigehe. Mein Großvater nennt mich Engel. War ich es denn nicht wert, beachtet zu werden?
    »Cam!«, sagte Bex streng. »Natürlich geht es nicht darum!«
    Liz riss die Hände hoch und meinte: »Ich kann einfach nicht glauben, dass du uns nichts gesagt hast! Ich kann nicht glauben, dass du es keinem gesagt hast!«
    Liz’ Definition von keinem bedeutete nicht keinem. Es bedeutete keinem Lehrer.
    »Na und?«, sagte ich.
    »Na und ?«, wiederholte Liz. »Er hat dich gesehen ! Cammie, niemand sieht dich, wenn du nicht gesehen werden willst.« Sie setzte sich neben mich aufs Bett. »Als wir Mr Smith gefolgt sind und ich aufpassen musste, dich nicht aus den Augen zu verlieren, war es fast unmöglich, und dabei konnte ich dich in den Ohrstöpseln hören. Und ich wusste, was du anhattest. Und –« Sie riss wieder die Arme hoch. »Na und?«
    Ich drehte mich zu Bex und hob die Augenbrauen, als ob ich sie fragen wollte: Drehst du jetzt auch noch durch?
    »Du bist wirklich erstaunlich, Cam«, sagte sie ernst. Also doch.
    »Irgendwas stimmt hier nicht«, meinte Liz, als ich ins Bad ging und mir die Zähne putzte. (Es ist schwierig, Dinge zu sagen, die einer lebenslangen Freundschaft schaden, wenn man wie ein tollwütiger Hund aus dem Mund schäumt.) »Mr Solomon will Berichte über unseren Einsatz haben, also müssen wir auch was über den Jungen schreiben. Es ist immerhin möglich, dass er versucht, die Schule mit Cammies Hilfe zu infiltrieren. Vielleicht ist er ein Lockvogel.«
    Ich erstickte fast an meiner Zahnbürste. Die technische Definition eines Lockvogels ist eine Agentin, die Liebe einsetzt, um eine Zielperson zu kompromittieren. Die praktische Definition eines Lockvogels ist jede Person mit einem Dekolleté. (Laut Gerüchteküche soll Gilly hinter der Erfindung des Wortes stecken.) Beim Gedanken, dass Josh das männliche Gegenstück sein könnte, drehte sich mir der Magen.
    »Nein!«, schrie ich. »Nein, nein, nein! Er ist kein Lockvogel!«
    »Woher willst du das wissen?«, fragte Bex.
    »Ich weiß es einfach!«
    Aber Liz zuckte mit den Achseln und sagte: »Wir müssen ihn in unseren Berichten erwähnen.«
    Doch Berichte führen zu Besprechungen. Besprechungen führen zu einem Protokoll. Und ein Protokoll würde dazu führen, dass Josh zwei Wochen lang vom Sicherheitsteam beschattet würde, während es gleichzeitig seine Geburtsurkunde ausfindig machen und herausfinden würde, ob seine Mutter trinkt oder sein Vater ein Spieler ist – die Leute haben schon weitaus mehr aus viel geringerem Anlass getan. Schließlich ist die Gallagher Akademie nicht deshalb seit über hundert Jahren ein gut gehütetes Geheimnis, weil man irgendwelche Risiken eingeht.
    Ich dachte an Josh, wie nett und normal er gewirkt hatte. Ich wollte nicht, dass Fremde ihn durch ein Mikroskop betrachteten. Ich wollte auch nicht, dass es in Langley eine Akte mit seinem Namen gäbe. Aber vor allem wollte ich in keinem Zimmer sitzen und erklären, warum er mich angesprochen hatte, obwohl auf dem Marktplatz doch viel, viel hübschere Mädchen herumgelaufen waren.
    Ich blickte auf den Fußboden und schüttelte den Gedanken ab. »Nein, Liz, das kann ich nicht. Das ist ein viel zu hoher Preis dafür, dass er mit einem Mädchen gesprochen hat.«
    Bex verschränkte die Arme und grinste verschmitzt in meine Richtung. »Ich glaube, an der Geschichte ist noch etwas mehr«, sagte sie mit dem gewohnten Spürsinn. Das Blut, das mir in die Wangen schoss, musste mich verraten haben, denn sie beugte sich zu mir runter und sagte: »Spuck’s aus!«
    Also erzählte ich ihnen von der Abfalltonne und der kaputten Cola-Flasche und am Ende sogar von der Bemerkung Sag Suzie, der Katze, sie hat Glück!, die ich mir auch ohne ein Geniezu sein wortwörtlich hätte merken können, weil solche Sätze wie Erdnussbutter im Hirn eines Mädchens kleben bleiben. Als ich fertig war, starrte mich Bex an, als ob sie sich fragen würde:

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