Spione kuesst man nicht
Joan Abrams (also Joshs Mutter) jemandem namens Dorothy versprach: »Wir werden Keiths Überraschungsparty auf gar keinen Fall verpassen! Punkt acht sind wir da.«
Ihr könnt euch also unsere Überraschung vorstellen, als wir zwischen den Azaleen kauerten und zusahen, wie die halbe Stadt Roseville durch die Tür eines weißen Hauses mit blauen Fensterläden am Ende von Joshs Häuserblock latschte. Ich setzte mir eine Brille auf, die nur funktioniert, wenn man richtig kurzsichtig ist (eigentlich ist sie ein Fernglas), und holte das Haus heran, in dem die Party in vollem Gange war.
»Keith und was noch?«, fragte ich und zwang Liz, sich an die E - Mail zu erinnern, die wir auf Evapopapier ausgedruckt und unter meinem Bett versteckt hatten.
»Jones«, sagte Liz. »Wieso?«
Ich reichte ihr die Brille, damit sie sich das Haus am Ende der Straße und das Schild, das über dem Eingang hing, näher anschauen konnte. The Joneses.
»Oh«, murmelte Liz. Das hieß, dass die Familie Abrams nicht weit war.
Ich hatte mir vorgestellt, wo Josh leben würde, aber meine Träume verblassten im Vergleich zu dem, was ich sah. Es war keine richtige Wohngegend – eher eine aus dem Fernsehen, wo die Rasen manikürt und die Veranden für Schaukeln und Limonade gebaut worden sind. Bevor ich an die Gallagher Akademie kam, wohnten wir in einem schmalen Reihenhaus in Washington. Den Sommer verbrachte ich auf einer staubigen Ranch. Noch nie hatte ich so viel vorstädtische Vollkommenheit an einem Ort gesehen, als ich durch das schwache Licht der Straßenlaternen auf die lange Reihe weißer Lattenzäune schaute.
Irgendwie wurde mir klar, dass eine Spionin hier nicht hingehörte.
Aber drei waren da und hockten im Dunkeln, bis Bex ihr Schlösser-Knack-Werkzeug hervorholte und zur Hintertür rannte. Liz folgte ihr auf dem Fuß, bis sie mit dem Zeh an einen Gartenzwerg stieß, flach auf einer Stechpalme landete und leise »Ich bin okay!« rief.
Ich half Liz auf die Beine, und Sekunden später standen wir hinter Bex, die sich wie eine Wilde am Schloss der Hintertür austobte.
»Gleich geschafft«, sagte sie mit fester Stimme und voller Selbstvertrauen.
Ich kannte den Ton. Dieser Ton war gefährlich.
Ich hörte die Partymusik, sah die malerische Umgebung, und plötzlich kam mir ein Gedanke. »Wir könnten vielleicht mal versuchen –« Ich fasste den Türknauf an. Er drehte sich problemlos in meiner Hand.
»Ja«, sagte Bex. »So geht es auch.«
Wir betraten Joshs Haus. Es war, als würden wir in eine Lifestyle-Zeitschrift eintreten. Auf dem Tisch standen frische Blumen. Ein Apfelkuchen kühlte auf einem Gitter neben dem Herd aus. Das Zeugnis von Joshs Schwester klemmte unter einem Magnet am Kühlschrank – nur Einsen.
Bex und Liz rannten durchs Wohnzimmer und die Treppe hinauf, und ich riss mich lange genug zusammen, um »Fünf Minuten!« zu sagen. Aber ich konnte ihnen nicht folgen. Ich konnte mich nicht rühren.
Ich wusste, dass ich hier eigentlich nicht sein durfte, und zwar aus mehreren Gründen. Ich sah einen Nähkorb auf der Fensterbank mit einem halbfertigen Kostüm für Halloween. Auf dem Couchtisch lag ein Do-it-yourself-Buch über das Neubeziehen von Polstermöbeln, und vier Stoffmuster hingen über der Armlehne des Sofas.
»Cam!«, rief Bex und warf mir einen Transmitter zu. »Liz sagt, der muss raus. Warum versuchst du’s nicht mal mit der Ulme?«
Ich war froh, etwas zu tun zu haben. Ich war froh, aus dem Haus zu gehen. Natürlich war das Auskundschaften an der Basis ein wichtiger Teil beim Aufspüren eines Lockvogels. Falls Josh Anweisungen von einer Terrorzelle oder einerschurkischen Regierung bekam, dann waren das Infizieren seines Computersystems mit einem Trojaner und das Durchwühlen seiner Wäscheschublade wahrscheinlich der beste Weg, um etwas herauszufinden. Trotzdem war es für mich eine Erleichterung, ins Freie zu gehen und auf einen Baum zu klettern.
Ich stand auf dem dritten Ast des Baumes und befestigte den Sender, als ich die Straße entlangschaute und eine Gestalt sah, die eine Abkürzung durch die Vorgärten nahm. Die Gestalt war groß. Sie war jung. Und sie hatte ihre Hände so tief in den Hosentaschen, wie ich es nur ein einziges Mal in meinem Leben gesehen hatte.
»Bücherwurm, kannst du mich hören?«, fragte ich, aber obwohl Liz ihr Bestes getan hatte, um mein Gerät, das einen Kurzschluss hatte, in Ordnung zu bringen, sagte mir das Knacken im Ohr, dass ihre hastige Reparatur nicht
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