Spione kuesst man nicht
»Was haben wir gesagt? Handtasche oder keine?«, fragte sie und drehte sich zu den anderen um.
»Sie sollte unbedingt eine Tasche dabeihaben«, sagte Macey und Bex stimmte ihr zu. Unglaublich! Macey und Bex verbündeten sich mithilfe von Accessoires! Es geschahen noch Zeichen und Wunder.
Bex zog eine Tasche vom Bett und machte sie auf. »Kinoticket – wenn er dich fragt, ob dir der Film gefallen hat, sag einfach Ja, aber das Ende hättest du unwahrscheinlich gefunden.« Sie ließ das Papierfitzelchen in die Tasche fallen und nahm etwas anderes in die Hand. »Fernglas. Das brauchst du heute sicher nicht, aber es kann nicht schaden, das Ding dabeizuhaben.« Wieder ließ sie einen Gegenstand in unseren Lügenbeutel fallen und warf einen Kugelschreiber, auf dem Was würde Jesus tun? stand, hinterher. Dann machte sie die Tasche mit einem selbstzufriedenen Grinsen zu.
Ich hatte keine Ahnung, woher Bex das Zeug hatte, und wollte es, ehrlich gesagt, auch gar nicht wissen. Aber als ichmir ansah, was ich alles mitnehmen sollte, und daran dachte, was ich alles wissen sollte, stellte ich mir doch die Frage: Machen alle Mädchen so was durch? Ist jedes Mädchen, das eine Verabredung hat, so getarnt?
»Und vergiss nicht –«
Ich blickte auf und sah das silberne Kreuz, das an seiner Kette schwang.
»Es ist kaputt«, sagte ich zu Bex. »Seit das Wasser aus dem Tank einen Kurzschluss verursacht hat, funktioniert es nicht mehr. Und wegen der Störsender hättet ihr sowieso kein Signal bekommen.«
»Cammie«, sagte Bex seufzend. »Cammie, Cammie, Cammie … das ist deine Legende.« Das Kreuz schwang weiter. »Es ist dein Accessoire!«
Ich wusste, dass sie recht hatte. Sobald die Mauern hinter mir lagen, musste ich aufhören, ich zu sein, und zu der anderen werden, dem Mädchen, das zu Hause unterrichtet wurde, das die Kette trug und …
»Du machst Witze!«, sagte ich, aber es war schon zu spät. Liz stand mit Onyx auf dem Arm im Türrahmen.
Ich hatte ja immer gewusst, dass all das Theater mit Jungs problematisch war, und zwar bevor ich meinen Körper mit einer Katze einreiben musste, damit man mir wegen der Katzenhaare die Tierliebe abnahm!
All die Jahre hatte ich angenommen, eine Spionin zu sein, sei eine Herausforderung. Und nun stellte sich heraus, dass ein Mädchen zu sein, noch viel verzwickter war.
Sie begleiteten mich die Treppe hinunter bis zum fernsten aller Geheimgänge.
»Hast du ausprobiert, ob deine Taschenlampe noch funktioniert?«, fragte Liz, so, wie Grandma Morgan immer fragt: »Hast du dein Ticket?«, wenn sie mich zum Flughafen bringt. Es war lieb. Ich wünschte, sie hätten mitkommen können, aber das lernen alle Spione sofort: Dein Team kann noch so tüchtig sein – es kommt die Zeit, in der du deinen Weg allein gehen musst.
»Ich kapier immer noch nicht, wie du da raus- und wieder reinkommst«, sagte Macey, »ohne von irgendjemandem erwischt zu werden.«
Sie schien richtig verwirrt zu sein, ich war es dagegen nicht. Irgendwann sollte ich ein Buch über das Schloss schreiben. Ich könnte ein Vermögen damit verdienen. Ich würde es an die Neuen verkaufen, ihnen Tricks beibringen, wie man an der Schranktür des Hausmeisters im westlichen Treppenhaus rüttelt und dann an einem Rohr bis hinunter in die Speisekammer des Butlers rutscht. (Wie du raufkommst, ist dein Problem!) Ein anderer toller Trick ist die Holztäfelung auf dem Podest der Steintreppe in der alten Kapelle. Wenn man dreimal draufdrückt, öffnet sie sich, und man hat Zugang zu allen Zimmerdecken in der Nordhalle. (Allerdings weniger zu empfehlen, wenn man sich vor Spinnen fürchtet.)
»Du wirst schon sehen, Macey«, sagte ich, als wir um die Ecke bogen und einen endlosen Korridor entlang auf den alten rubinroten Wandteppich zugingen, der als Einziger an der kalten Steinmauer hing. Ich schaute auf den Stammbaum der Familie Gallagher und dann auf Macey. Sie studierte die Generationen nicht, fand ihren Namen nicht und stellte auch keine Fragen. Sie sagte nur: »Du siehst gut aus.« Und ich fiel fast in Ohnmacht vor Schreck, so gelobt zu werden.
Ich schob den Wandteppich beiseite und wollte schon durchschlüpfen, als Bex noch sagte: »Hau sie vom Hocker!«
Und ich war drin, als Liz hinterherrief: »Aber nicht wirklich!«
I ch weiß nicht, wie sie mich dazu überreden konnten. Okay, ich weiß es schon, aber das werde ich nie zugeben. Sich vom Campus zu schleichen, war eine Sache – man brauchte sich nur den Schwenk der Kameras
Weitere Kostenlose Bücher