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Spione kuesst man nicht

Spione kuesst man nicht

Titel: Spione kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Carter
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zu merken, zu wissen, wo die Wächter ihren toten Winkel hatten, und die Bewegungsmelder an der Südmauer zu umgehen. Aber Schuhe zu tragen, die einem das Schleichen zur Hölle machen – darauf werde ich niemals stolz sein. Maceys schwarze Stiefel verlängerten zwar meine Beine und verliehen mir das gewisse Etwas eines Charlie’s Angels, aber bis ich mich endlich auf einer Parkbank an der Ecke des Marktplatzes niederlassen konnte, taten mir die Füße weh, waren ein Knöchel verstaucht und meine Nerven kaputt.
    Zum Glück hatte ich Zeit, mich zu sammeln. Viel Zeit.
    Falls ihr jemanden beschatten wollt, macht euch eines klar: Es ist todlangweilig. Ja, okay, wir sprengen manchmal was in die Luft oder springen von Gebäuden und/oder fahrenden Zügen, aber meistens hängen wir nur herum und wartendarauf, dass etwas passiert (eine Tatsache, von der man im Kino fast nie was erfährt). Ich wäre mir also reichlich blöd vorgekommen, wenn ich ein normales Mädchen gewesen wäre und nicht eine Art Top-Geheimagentin, die auf einer Parkbank sitzt und versucht, sich normal zu verhalten und dabei doch alles andere als normal ist.
17 Uhr 35: Die Agentin hat ihren Posten eingenommen.
18 Uhr: Die Agentin wünscht, sie hätte sich was zu essen mitgebracht, weil sie ihren Posten nicht verlassen kann, um einen Schokoriegel zu kaufen, und schon gar nicht, um aufs Klo zu gehen.
18 Uhr 30: Der Agentin wird klar, dass es fast unmöglich ist, hübsch und/oder verführerisch auszusehen, wenn man DRINGEND pinkeln muss.
    Meine Hausaufgaben bestanden an diesem Abend aus fünfzig Seiten Die Kunst des Krieges , die ins Arabische übersetzt werden mussten, und einem Kreditkarten-Schrägstrich-Fingerabdrucks-Modifizierer, der für Dr. Fibs zu perfektionieren war. Außerdem hatte Madame Dabney Bemerkungen fallen gelassen, die einen Test am Ende der K+A-Stunde ankündigten. Trotzdem saß ich da, rieb meinen anschwellenden Knöchel und fand, dass ich für das alles hier eigentlich extra Punkte in GehOp verdient hätte.
    Ich schaute wieder auf meine Uhr: Viertel vor acht. Okay, dachte ich, ich geb ihm noch eine Chance bis acht und dann …
    »Hi«, hörte ich hinter mir.
    Oh, Mann. Oh, Mann. Ich konnte mich nicht umdrehen. Oh, verflixt, ich musste mich umdrehen.
    »Cammie?«, sagte jemand, als ob es eine Frage wäre.
    Ich hätte in vierzehn verschiedenen Sprachen »hi« sagen können (Geheimsprachen nicht mitgezählt). Und trotzdem fehlten mir die Worte, als er vor mir stand.
    »Ähm … oh … ähm …«
    »Josh«, sagte er und zeigte auf sich, als ob er glaubte, ich hätte es vergessen.
    Ist das nicht süß? Ich weiß, ich bin keine Expertin auf dem Fachgebiet Jungs, aber ich habe mir schon jede Menge Vorträge über Körpersprache angehört. Und wenn jemand annimmt, dass man seinen Namen vergessen hat, dann steht das auf meiner Bescheidenheitsliste ganz oben (so eine Liste gibt es zwar nicht, aber das wäre jetzt echt ein Anfang).
    »Hi.«
    Das hab ich jetzt auf Englisch gesagt, oder? Nicht auf Arabisch oder Französisch? Oh, bitte, lieber Gott im Himmel, lass ihn nicht denken, dass ich eine Austauschschülerin bin oder – noch schlimmer – ein Mädchen, das ungefähr drei Wörter einer Fremdsprache kennt und jetzt rumläuft und sie ständig benutzt, nur um zu beweisen, wie klug/kultiviert und überhaupt viel besser als alle anderen sie ist.
    »Hier sitzt du also«, sagte er. Okay, mit dem Englischen scheint’s doch zu klappen. »Lange nicht gesehen.«
    »Oh.« Ich schoss in die Höhe. »Ich war in der Mongolei.«
    Notiz an mich: Lernen, nicht ganz so unverschämt zu lügen!
    »Mit dem Friedenscorps«, sagte ich. »Meine Eltern fahren total darauf ab. Deswegen unterrichten sie mich auch zu Hause.« Ich erinnerte mich an meine Legende und spürte, wie sehr ihn das beeindruckte.
    »Wow, das ist cool«, sagte er.
    »Echt?« Ich fragte mich, ob er es ernst meinte. Aber er lächelte, also sagte ich noch: »Ja, klar.«
    Er ließ sich auf die Bank neben mich gleiten. »Dann hast du wohl in vielen verschiedenen Ländern gelebt?«
    Ich bin viel gereist, habe aber tatsächlich nur an drei Orten gelebt: auf einer Ranch in Nebraska, in einer Schule für Genies und in einem Reihenhaus in der Hauptstadt. Zum Glück bin ich eine hervorragende Lügnerin mit einer ausführlichen Legende. LdW-Stunden im Wert von vier Jahren schwirrten in meinem Kopf, und ich erinnerte mich an einige Höhepunkte. »Thailand ist wunderschön.«
    »Wow.«
    Dann fiel mir

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