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Spionin in eignener Sache

Spionin in eignener Sache

Titel: Spionin in eignener Sache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Zinglehoff vor, der sie auf Anhieb faszinierte. Er hatte zwei Charakteristika, die sie fesselten, in dem Sinne, wie einen Horrorfilmszenen in Bann schlagen. Erstens been-dete Zinglehoff nie einen Satz, brach immer kurz vor dem ungeduldig erwarteten Schluß seiner Ausführungen ab, um zu einem anderen Thema abzuschweifen, und zweitens trug er statt Hemd und Schlips einen schwarzen Rollkragenpullover unter seiner dunklen Jacke, wodurch er genau wie eine Schildkröte aussah, eine Ähnlichkeit, die noch durch seine Angewohnheit verstärkt wurde, den Kopf weit vorzurecken, während er seine syntaktisch unvollendeten Standpunk-te vertrat. Kate, die Schildkröten mochte, gab sich alle Mühe, dies zu seinen Gunsten auszulegen, aber es gelang ihr nicht. Mein Gott, dachte sie, ich will es gar nicht, aber schon beschreibe ich ihn wie eine Romanfigur. Doch irgendwie war Zinglehoff wirklich eine Beschreibung wert; man stelle sich bloß vor, was Dickens aus ihm gemacht hätte.
    »Es muß für die Studenten eine ganz neue Erfahrung sein, eine Frau als Dozent zu haben«, bemerkte Zinglehoff, »nicht, daß irgendwas Anstößiges dabei wäre, wenn eine Frau an einer juristi-56

    schen Fakultät lehrt, zumal eine Frau, die keine Juristin ist, und viele intelligente Frauen sind keine Juristinnen, im Gegenteil, man kann wohl behaupten, die meisten intelligenten Frauen sind keine, aber ich bin doch neugierig, wie unsere Studenten, die ein hart arbeitendes Völkchen sind, man denke nur daran, daß die meisten sich ihr Studium selbst finanzieren, und ein Großteil unserer Studentenschaft sind Frauen wie Sie selbst…«
    »Was lehren Sie?« unterbrach Kate ihn schroff. Wie mochte es seiner Frau, falls vorhanden, gelingen, sich mit ihm zu unterhalten?
    Vielleicht schrieb sie ihm Zettel. Vielleicht war er zu Hause ja auch ein verbissener Schweiger. Man konnte nur raten. »Geben Sie Grundkurse?«
    »Grundkurse sind natürlich das Herzstück jeder juristischen Fakultät, anders als all der Firlefanz, den die Studenten später wählen können, nun, einiges davon ist durchaus nützlich, das will ich nicht leugnen, auf seine Art eben, und ich selbst habe sogar schon Seminare über Grundstückstransaktionen gehalten – von Zeit zu Zeit, wenn es nötig war, was in kleinen Universitäten wie unserer dank Urlaubs-semester oder anderer Verpflichtungen der Kollegen eben zuweilen vorkommt, und ich darf wohl sagen, daß ich nichts davon halte, außerordentliche Professoren anzuheuern, damit sie…«
    »Lehren Sie Eigentumsrecht?« fragte Kate. Sie empfand den ü-
    berwältigenden Drang, ihn anzuschreien: »Antworten Sie mit ja oder nein!« Und wirklich, ein Ja, das einen endlosen Satz im Schlepptau zu führen drohte, war ihm gerade über die Lippen geschlüpft, als Reed zu ihrer Rettung eilte: »Kate, Professor Abbott möchte dich gern kennenlernen. Er ist dort drüben, ich stelle dich ihm vor.«
    »Entschuldigen Sie mich«, sagte sie zu Zinglehoff.
    »Du sahst aus, als müßte dich dringend jemand erlösen«, raunte Reed zu ihr, »und Abbott will dich wirklich kennenlernen. Sei tapfer.« Er grinste und schob sie in Richtung Professor Abbott, der in der Tat bemerkenswert war; abgesehen davon, daß er die einzige nichtweiße Person im Raum war, hatte er eine große, stattliche Statur und sah blendend aus.
    »Sie sind keine Juristin«, bemerkte er nüchtern und schüttelte Kate die Hand. »Blair Whitson hat sich alle Mühe gegeben, mir zu erklären, warum wir an unserer Law School unbedingt eine Nicht-Juristin brauchen, aber ich fürchte, ganz habe ich es trotzdem nicht verstanden. Können Sie mir nicht auf die Sprünge helfen? Ich wäre Ihnen dankbar.«
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    »Gewiß.« Kate betrachtete ihr leeres Glas.
    »Ich hole Ihnen was zu trinken«, erbot sich Abbott. »Was hatten Sie? Gin?«
    »Nein, ich möchte nichts mehr«, lehnte Kate ab, »aber danke für das Angebot. Ich habe wohl nur so tief in mein Glas geguckt, weil ich auf eine Inspiration zur Beantwortung Ihrer Frage hoffte, nicht weil ich durstig bin.«
    »Ich weiß«, war Abbotts überraschende Antwort, »Sie halten mich für einen ›alten Reaktionär‹ wie meine Tochter alle Akademiker meines Alters nennt. Und es stimmt, ich bin konservativ, und ich bin stolz darauf. Denn für mich ist es ein Privileg, hier zu sein, an dieser gediegenen Institution, und mir liegt in der Tat daran, das Lehrangebot auf dem gleichen Niveau zu halten, das mir geboten wurde, als ich vor vielen Jahren

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