Spionin in eignener Sache
beweisen. Aber in Reeds Projekt – hinsichtlich dessen ich offengesagt ein noch größerer Snob bin als Sie – geht es um materielles Recht, denn die Studenten werden mit Mandanten und Behörden zu tun haben und schließlich vor Gericht auftreten. Die simulierten Verhandlungen sind natürlich viel begrenzter, eignen sich zwar zu Übungszwecken, helfen aber niemandem, der in Not ist.«
»Genau das hat Reed auch gesagt. Aber weiter mit diesen span-nenden juristischen Grundkursen an der Schuyler.«
»Also, zunächst das Vertragsrecht«, Blair machte eine Pause, in der er (offenkundig) eine möglichst komprimierte Beschreibung entwarf. »Das Vertragsrecht regelt die Übereinkünfte im Bereich von Handel und Gewerbe und befaßt sich außerdem damit, wie der Staat die Einhaltung von Verträgen durchsetzt. Das ist eine Menge Stoff, der nur in zwei Semestern bewältigt werden kann. Das gleiche gilt 54
fürs Verfassungsrecht.«
»Nichts verraten«, rief Kate. »Lassen Sie mich selbst draufkommen. Es beschäftigt sich mit der Verfassung.«
»Ausgezeichnet!« lobte Blair. Er fand allmählich Spaß an dem Spiel. »Außerdem befaßt es sich mit dem Problem der gesetzgeben-den und der richterlichen Gewalt, dem Verhältnis von Staat, Regierung und Individuum.«
»Kurz«, warf Kate ein, »Rhenquist gegen Brennan, oder Mar-schall gegen Thomas.«
»So könnte man es ausdrücken, ja. Wobei die Frage Vorsatz oder Fahrlässigkeit trotzdem immer eine sehr knifflige bleibt.«
»Entschuldigen Sie die unqualifizierte Bemerkung.«
»Schon verziehen. Ich tue halt mein bescheidenes Bestes.«
»Sie halten sich großartig«, erklärte Kate und meinte es. »Womit sich allerdings das Schadenersatzrecht befaßt, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.«
»Auch darüber habe ich Grundkurse gehalten, was uns aber im Augenblick auch nicht viel nützt. Also ganz kurz: es hat mit Verstö-
ßen zu tun, die nicht durch das Strafrecht abgedeckt sind. Außerdem befaßt es sich mit dem Prinzip der Haftbarkeit.«
»Und welche Kurse halten Sie im Augenblick noch, außer unserem über Recht und Literatur? Diese Frage hätte ich schon längst stellen sollen. Wäre Ihr Fach die Literatur, hätte ich Ihr Spezialgebiet im Oak Room schon vor dem Aperitif in Erfahrung gebracht. Es gibt viel zu wenig Austausch zwischen den verschiedenen Gebieten.«
»Ein Mißstand, den wir mit unserem Literatur- und Rechts-Seminar ja beheben wollen«, sagte Blair galant. »In diesem Semester lehre ich Verfahrensrecht. Wer kann wen anklagen? Wann? Was ist die Aufgabe der Gerichte? Welche Regeln gelten, was ist die Rolle der Anwälte, wer trägt die Kosten? Die Details können wir vielleicht ein andermal erörtern, bei einem Drink.«
»Aber gerne. Also, welcher Grundkurs fehlt uns jetzt noch? Nein, sagen Sie’s mir nicht; ich muß selbst draufkommen. Eigentumsrecht!
Wie konnte ich das nur vergessen.«
»An einer juristischen Fakultät in Amerika kann und darf man das nie. An einigen fortschrittlichen Universitäten betrachtet man das Eigentumsrecht auch unter ökologischen, historischen und ökonomischen Aspekten. Aber an der Schuyler sieht man es hauptsächlich im Kontext von mein und dein. Wie verteidige ich meine Rechte an Land und Wasser – vor allem gegen den Staat. Apropos Schuyler, 55
meinen Sie nicht, wir sollten uns jetzt zu dem Empfang aufmachen?
Folgen Sie mir.«
»Wird auch was Alkoholisches gereicht, um die Räder der sozialen Interaktion zu schmieren?« fragte Kate, die an ihren kürzlichen Besuch im Theban dachte.
»Wenigstens damit dürfen Sie rechnen. Bourbon ist das Getränk der Stunde.«
»Hätte ich mir denken können«, murrte Kate. »Das paßt. Reed und ich trinken Scotch.«
»Für Sie und Reed hält man wahrscheinlich eine kleine Ration bereit. Ich selbst trinke auch Scotch.« Er führte sie aus dem Büro und schloß die Tür ab.
Der Empfang erwies sich als längst nicht so quälend wie erwartet, wohl vor allem dank des Alkohols. Trotz ihrer Frage an Blair beschloß Kate, nichts zu trinken, da sie es für ratsam hielt, die Namen der Professoren mit den Kursen, von denen sie gerade gehört hatte, in Verbindung zu bringen. Außerdem wollte sie diese vielleicht unwiederbringliche Gelegenheit nutzen, sich einen Eindruck von dem Ganzen zu verschaffen. Kate trank nie, wenn sie arbeitete.
Und anders als den Empfang in Theban betrachtete sie diesen hier als Arbeit. Warum wohl? fragte sie sich.
Blair stellte Kate Professor
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