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Spionin in eignener Sache

Spionin in eignener Sache

Titel: Spionin in eignener Sache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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    natürlich behauptete sie es. Ich versichere Ihnen, er hat nichts Schlimmeres getan, als hin und wieder einen über den Durst zu trinken; mag sein, daß er sie ab und zu ein bißchen hart angefaßt hat, wenn er unter Alkohol stand, aber geschlagen hat er sie nie, das dürfen Sie mir glauben. Sie hatte ein schönes Heim und zwei Kinder.
    Sie war eine Lügnerin und eine Verrückte, mehr ist dazu nicht zu sagen. Aber wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen.« Und ohne weitere Höflichkeitsfloskel drehte sich Slade auf dem Absatz um. Er optierte fürs Nichtdiskutieren.
    Kate stand einen Moment da, und während seine Worte noch in ihrem Kopf nachhallten, wurde ihr bewußt, wie isoliert sie in dem Stimmengewirr ringsherum war. Sie gehörte nicht dazu, und plötzlich fühlte sie sich wie eine Spionin im feindlichen Lager. Sie hatte kaum begonnen, über diese sonderbare Erfahrung nachzudenken, als an ein Glas geklopft wurde und ein großer, geschniegelter, gutaussehender Mann um Aufmerksamkeit bat. »Willkommen« begann er, als Ruhe eingekehrt war, »Willkommen bei unserem traditionellen Treffen. Wenigstens einmal jedes Semester kommen wir zusammen, wir alle, die an dieser großartigen Fakultät lehren, um uns ins Ge-dächtnis zu rufen, wer wir sind und was unsere Mission ist: die Gesetze, so wie unsere Vorväter sie konzipierten, an die junge Generation weiterzugeben, die dann für sie einstehen wird, wenn wir gegangen sind. Und die Notwendigkeit, unsere Gesetze zu verteidigen, wird von Jahr zu Jahr dringlicher. Ich hebe mein Glas in Respekt vor all jenen, die zu ehren wissen, was Zeit und Erfahrung als das Richtige für das Schicksal unseres Landes gelehrt haben.«
    Kate entdeckte Blair an ihrer Seite. »Wer um Himmels willen…?« wisperte sie.
    »Der Dekan, unser Boß«, war Blairs geflüsterte Antwort. »Sie hätten ihm eigentlich vorgestellt werden müssen, ehe Sie angeheuert wurden, aber er war unterwegs, Spenden auftreiben. Offen gesagt habe ich mich beeilt, Ihren Vertrag vor seiner Rückkehr durchzudrü-
    cken. Er glaubt nämlich nicht, daß Recht etwas mit Literatur oder sonst etwas, eingeschlossen Gerechtigkeit, zu tun hat.« Der Dekan schwadronierte weiter, pries seine Law School, weil sie »an Prinzipien festhält, die an anderen sogenannten Elite-Universitäten so leicht fallengelassen werden. Dort betreibt man deren Ausverkauf, und zwar im Interesse marginaler Gruppen unserer großartigen Kultur, zum Wohle von Minderheiten, die keinen Anteil an der Entste-hung unserer Gesetze hatten und sie nie gegen unsere Feinde vertei-62

    digten. Ich trinke auf das Wohl unserer Verfassungsväter. «
    »Betrachtet er die Bill of Rights überhaupt als Teil der Verfassung?« fragte Kate.
    »Das würde mich wundern. Gäbe es heute eine Abstimmung dar-
    über, wäre er bestimmt dagegen. Er glaubt, der zweite Verfassungs-zusatz gibt ihm und jedem Amerikaner das Recht, sich ohne Waffen-schein eine Knarre in den Schrank zu stellen.«
    »Mein Gott, Blair, worauf haben wir uns da bloß eingelassen, Reed und ich? Und was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, sich diesem Mob anzuschließen?«
    »Ich wollte in New York leben, einer Stadt, die ich liebe. Natürlich hatte ich keine Ahnung, wo ich hineingerate. Aber statt zu gehen, beschloß ich, von innen zu bohren. Daher Sie und Reed.«
    Der Dekan schloß seine Ansprache unter enthusiastischem Beifall. Alle hoben die Gläser, um auf ihre feine Universität zu trinken.
    Kate fürchtete ernsthaft, ihr würde gleich schlecht. Sie und Blair bahnten sich ihren Weg durch die Menge und, schließlich, aus dem Gebäude. Kate atmete tief durch.
    »Sich nur vorzustellen, daß ich beinahe mit ihnen getrunken hät-te«, stöhnte sie. »Ich bin sehr heikel, mit wem ich trinke, und diese erstaunliche Fakultät gehört ganz bestimmt nicht dazu. Wissen Sie, daß Slade mir erzählte, einer seiner noblen Kollegen sei im Schlaf von seiner Frau erschossen worden? Stimmt das? Wie eine Banden-Hinrichtung sei es gewesen, sagte er.«
    »Banden schießen in den Hinterkopf. Sie schoß ihm in die Brust.
    Mehrere Male. Ja, natürlich weiß ich davon, und es stimmt. Er scheint ein Monster gewesen zu sein, aber wenn man seinen Kollegen glauben will, war er das unschuldige Opfer einer haßerfüllten Frau.«
    »Ich habe allmählich das Gefühl, überhaupt nichts von Verbrechen zu verstehen. Hat sie nicht versucht, die Waffe zu verstecken oder Einbruch vorzutäuschen, nichts in der Richtung?«
    »Nichts. Sie

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