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Spionin in eignener Sache

Spionin in eignener Sache

Titel: Spionin in eignener Sache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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nicht. Komisch, Sie kannten sich ja nicht, aber Nellie sagte dasselbe – du hast eine Stimme.«
    »Nein, ich kannte sie nicht. Aber wenn Blair von ihr spricht, ahne ich, wie sie war und was sie wollte.«
    »Blair war gut zu ihr. Zuerst glaubte ich, es sei bloß wieder eine ihrer vorübergehenden Männergeschichten, aber er hat sie offenbar wirklich verstanden, wußte, womit sie sich abkämpfen mußte. Er unterstützte sie; außer ihm hatte sie weit und breit niemanden, nur die Studenten, und für die mußte sie ja da sein, nicht umgekehrt.
    Was genau wollen Sie denn wissen?«
    »Alles über die Schuyler, über Nellies Zeit dort – ihre Eindrücke, ihre Reaktionen, ihre Pläne und ob sie irgendeinen Verdacht äußerte.
    Alles, was mit der Law School zu tun hat.«
    »Am Anfang war sie fassungslos, und dann wütend. Ich glaube, bis dahin war sie noch nie mit Männern wie denen an der Schuyler konfrontiert worden. Sie war davon überzeugt, wenn man Menschen mit Respekt behandelt, würden sie das anerkennen und einen ihrerseits respektieren. Es klingt vielleicht naiv; aber bis Nellie an die Schuyler kam, hatte nichts diesen Glauben erschüttert. Natürlich war sie schon miesen Typen begegnet, aber von den Menschen, mit denen sie vorher zusammenarbeitete, wurde sie immer anerkannt – weil sie ihre Ernsthaftigkeit und Integrität schätzten. Das klingt vielleicht ein bißchen pompös, aber so war sie. Und sie glaubte, man würde sie auch an der Schuyler achten. Aber keine Spur. Ich sagte ihr, daß 87

    Leuten, die selbst nicht integer sind, jede Fähigkeit abgeht, Integrität bei anderen zu erkennen. Lügner trauen niemandem, was ja nur logisch ist. Und als ihr dann klar wurde, mit welchen Figuren sie es an ihrer Fakultät zu tun hatte, war sie zuerst unglücklich und dann wü-
    tend. Ich riet ihr, den Job zu schmeißen, aber sie wollte den Kampf um ihren Lehrstuhl durchfechten, bei dem ihr Blair übrigens eine großartige Stütze war. Kurz nach ihrer Berufung hatte ich den Eindruck, sie hätte endgültig genug und wollte gehen; sie hatte ihre Fühler sogar schon woandershin ausgestreckt.« Nachdenklich hielt er inne. »Inzwischen«, sagte er dann, »hatte sie wohl den Verdacht, daß ihre Kollegen nicht nur Reaktionäre waren, sondern obendrein nie-derträchtig.«
    »Ist das keine Tautologie?«
    »Nicht unbedingt. Ich gehe nicht davon aus, daß Reaktionäre zu ihren Nächsten und Liebsten gemeiner sind als andere. In der Art, wie sie Menschen behandeln, die nicht zu ihrem Kreis gehören, zeigt sich ihre Niedertracht. Und Nellie gehörte ganz bestimmt nicht zu ihrem Kreis.«
    »Stand sie so weit außerhalb, daß man sie umbringen mußte? «
    fragte Kate. Er war ein Mann, der nicht vor Klartext erschrak, aber auch einer, das merkte Kate, dem nicht danach war, den ganzen Tag zu verplaudern.
    »Sie meinen, ob sie unter den Laster gestoßen wurde? Ist das Ihre Vermutung?«
    »So abwegig ist sie vielleicht gar nicht, jedenfalls nicht für die Menschen, die Nellie kannten und liebten. Und für die Polizei offenbar auch nicht, denn sie hielt es immerhin für notwendig, Alibis zu überprüfen, und stieß zufällig nur auf eins, das hieb- und stichfest war.«
    »Als die Polizei die Alibis überprüfte, wußte sie noch nichts von Nellies Krankheit. Davon erfuhr sie erst später – durch mich. Hören Sie, Kate, ich weiß, Sie sind hergekommen, weil Nellies Tod Sie beschäftigt und Sie noch für sie tun wollen, was Sie können. Und Sie haben sich an die richtige Person gewandt. Ihr Instinkt hat Sie nicht getäuscht. Ich habe den Menschen verloren, der mir am meisten bedeutete, und ich hoffe, durch Einsamkeit, harte körperliche Arbeit und meine Gedichte, in denen ich von meiner Trauer sprechen kann, damit fertig zu werden. Liebend gern würde ich Nellies Tod diesen Schweinen anlasten, aber Tatsache ist, daß sie einfach ohnmächtig wurde und vor diesen Laster fiel. Der arme Fahrer tut mir ehrlich 88

    leid.«
    »Ohnmächtig?«
    »Müssen wir wirklich in die medizinischen Details gehen? Sie litt an einer Krankheit, die sich in den letzten Jahren verschlimmert hatte, gegen die sie aber mit Medikamenten und Entschlossenheit ankämpfte. Das größte Risiko war, daß sie das Bewußtsein verlieren und stürzen konnte. Sie, oder vielmehr ihre Ärzte, hatten das Symptom recht gut unter Kontrolle, aber trotzdem passierte es. Sie wurde ohnmächtig und fiel vor den Laster. Ich bin mir zwar verdammt sicher, daß diese Schuyler-Typen mit ihren

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