Spionin in High Heels
scharfes Messer oder einen schweren Schraubenschlüssel. Doch da ich weder kochte noch an meinem Vergaser herumschraubte, besaß ich leider weder das eine noch das andere. Ich suchte den Raum nach einem Gegenstand ab, der schwer genug war, um Barbie k.o. zu schlagen. Ich griff nach dem verstaubten Oberschenkeltrainer in meinem Schrank und hüpfte zurück auf die Couch.
Nein, auch damit fühlte ich mich nicht sicherer.
Widerstrebend zog ich Ramirez’ Visitenkarte aus meiner Handtasche. Ich starrte sie an. Eigentlich musste ich jetzt die Polizei anrufen. Schließlich hatte ich gerade eine Morddrohung erhalten. Damit ging man doch zur Polizei. Die kümmerte sich um so etwas.
Aber nach unserem Streit heute Morgen wollte ich ungern die Erste sein, die sich wieder meldete. Ich meine, ich wollte nicht, dass Ramirez’ dachte, es wäre nur ein Vorwand, um ihn anzurufen. Wenn ich ihn zuerst anrief, war es doch, als würde ich nachgeben, oder nicht?
An meiner Lippe saugend überlegte ich, was schlimmer war: nachzugeben oder von Barbie ermordet zu werden. Ich nahm das schnurlose Telefon und wählte seine Nummer. Es klingelte einmal. Dann bekam ich es doch mit der Angst zu tun und legte auf.
Als das Telefon in meiner Hand klingelte, machte ich vor Schreck einen Satz. Mit zitternden Händen drückte ich die Taste.
»Hallo?« Oh Gott, bitte mach, dass es ein Telefonverkäufer ist.
»Maddie?«
Aber ich wurde nicht erhört. Es war Ramirez.
»Oh, hallo!«
»Hast du mich gerade angerufen? Deine Nummer erschien auf meinem Display.«
Ich verfluchte den technischen Fortschritt.
»Oh, äh, ja. Irgendwie schon.«
»Irgendwie schon?«
»Na gut! Ich habe angerufen und wieder aufgelegt. Zufrieden?«
Stille am anderen Ende. Ich hatte erwartet, dass er mich auslachte, aber stattdessen klang seine Stimme besorgt. »Was ist los? Alles in Ordnung?«
Verdammt! Ich benahm mich wie ein Teenager, und er war rührend besorgt. Maddie, das hast du mal wieder toll gemacht.
»Ja, alles in Ordnung. Ich habe nur einen komischen Anruf bekommen.«
Schweigen. »Erzähl mal.«
Also erzählte ich ihm alles. Es dauerte nicht sehr lang, denn der Anruf war ja nur kurz gewesen. Aber die Kälte in der Stimme der Anruferin hatte großen Eindruck auf mich gemacht. Als ich fertig war, herrschte wieder Stille am anderen Ende.
»Möchtest du, dass ich zu dir komme?«, fragte er dann.
Oh ja, nichts wollte ich lieber! Und dabei dachte ich nicht einmal an Sex. Nicht sehr. Allein bei der Vorstellung, dass der böse Cop mit seiner großen Pistole meine Tür bewachte, hatte ich gleich weniger das Bedürfnis, mich unter der Couch zu verstecken. Auf der anderen Seite hatte ich mich gerade schon blamiert, als ich einfach wieder aufgelegt hatte. Wenn ich ihn jetzt bat, über Nacht bei mir zu bleiben, weil eine Verrückte mich per Telefon bedrohte, würde das doch nur seinen Eindruck von mir als schwachem Frauchen bestätigen. Am liebsten hätte ich gerufen: »Ja, komm, bring deine Pistole mit und schlaf mit mir!« Aber ich hatte auch meinen Stolz. Und deshalb sagte ich: »Nein, danke! Ich habe meinen Oberschenkeltrainer. Ich komme schon klar. Wirklich.«
Ich hörte, wie er seufzte. Wahrscheinlich glaubte er genauso wenig daran wie ich.
Endlich sagte er: »Du hast ja meine Nummer.«
»Ja.«
»Leg sie auf eine Kurzwahltaste.« Dann legte er auf.
Ich stellte den Klingelton ab und speicherte gehorsam Ramirez’ Nummer. Dann umklammerte ich den Oberschenkeltrainer mit einer Hand, und mein Stolz und ich machten sich bereit für eine lange Nacht. In der ich von Killer-Mattel-Puppen und einem nackten Ramirez träumte.
Mit meinem Unterbewusstsein stimmte wirklich etwas nicht.
Am nächsten Morgen erwachte ich früh und sah gleich nach, ob alle Türen und Fenster noch verschlossen waren. Sie waren es. Was mich eigentlich hätte beruhigen sollen, aber meine Paranoia nur noch schürte. Ich duschte nich t – Janet Leigh in Psycho war mir noch lebhaft in Erinnerun g –, stürzte zwei Tassen Kaffee hinunter und zog mich eilig an.
Ich hörte die Nachrichten auf meinem AB ab. Eine war von Althea, die mir mitteilte, dass Besuche im Gefängnis von zwei bis vier Uhr erlaubt seien und sie mich auf die Liste gesetzt habe. Ich war froh, dass ich wenigstens eine auf meiner Seite wusste.
Die zweite Nachricht war von Dana. Sie wollte sich nun doch nichts mehr aus meinem Kleiderschrank aussuchen, brauchte aber neue Stiefel. Ob ich Lust hätte, mit ihr einkaufen zu
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