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Spitfire: Kühler Tod

Spitfire: Kühler Tod

Titel: Spitfire: Kühler Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Sandoval
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gesäumt ist. Nebenbei bemerkt haben in Alameda mehr viktorianische Häuser das Erdbeben von 1906 überlebt als in jeder anderen Stadt der Bay Area. Allein in unserer Straße versammeln sich gleich mehrere Stile: Häuser im italienisierenden Stil, im eher quadratischen Folk-Victorian-Stil, im Stick Style aus dem späten 19. Jahrhundert und unser eigenes Haus, ein Queen Ann Victorian mit fünf Schlafzimmern, zweieinhalb Bädern und einer Veranda.
    Als wir in die lange Auffahrt einbiegen, bin ich komplett durchgeschwitzt. Nachdem ich die Einkäufe hineingetragen habe, gehe ich hinauf in mein Zimmer, um mich umzuziehen. Ich werfe drei Lagen dunkler Kleider ab und schlüpfe in den klassischen Insellook: T-Shirt und Shorts. Als ich auf der Suche nach meinen Flipflops den Kleiderschrank öffne, werde ich von dem bunten Kaleidoskop meiner Sommerklamotten fast geblendet. Ich überfliege die Reihe von Baumwollsommerkleidchen und irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass ich ein Doppelleben führe. Während Papain den Blumenbeeten Unkraut jätet, mähe ich den Rasen. Als ich damit fertig bin, ist er schon dabei, einen Korb mit Zitronen von dem Baum im hinteren Garten zu füllen, dann geht er hinein und macht Limonade. Eine Weile sitzen wir in zufriedenem Schweigen zusammen, schlürfen unsere eisgekühlten Getränke und bewundern das Ergebnis unserer Arbeit.
    Ich bemerke mehrere Wespen, die am rückwärtigen Zaun herumschwirren. »Ist hier irgendwo ein Wespennest?«, frage ich.
    Papa nickt. »Dort drüben.« Ich folge seinem Blick zu dem verwaisten Hühnerstall. Das klumpige Nest baumelt von einem der Dachsparren. Es sieht aus wie ein Pinienzapfen auf Anabolika und strahlt eine monströse Schönheit aus.
    »Woraus ist es wohl gemacht?«, frage ich.
    Papa wischt sich mit dem Taschentuch, das er immer bei sich trägt, über die Stirn. »Aus Brei. Ich habe ihnen zugesehen, wie sie es gebaut haben.«
    Eine kleine Wespe schießt mit winzigen baumelnden Beinchen aus dem Nest hervor. »Ich besorge dir eine Dose Wespenspray.«
    »Ignacio hat letzte Woche schon eine vorbeigebracht«, erklärt Papa und nippt an seiner Limonade. »Er hat gesagt, mit dem Spray kommt man auch an Nester, die sechs Meter hoch hängen.«
    »So weit, hm?«
    Mir schießt durch den Kopf, dass es irgendwie so gar nicht nach meinem Bruder klingt, an jemand anderen außer an sich selbst zu denken. »Er ist letzte Woche gestochen worden«, erklärt Papa dann. »In den Allerwertesten.«
    Lächelnd male ich mir aus, wie mein Bruder in den Hintern gepikst wird. Plötzlich fühle ich einen Anflug von Beschützerinstinkt für all die hilflosen kleinen Gottesgeschöpfe – die Wespen, nicht Iggy. »Und lässt du ihn das Nest besprühen?«
    »Im Herbst sind die Wespen weg.« Papa sieht mich an und grinst. »Dann kann er es meinetwegen besprühen.«

    Viktorianische Häuser sehen vielleicht hübsch aus, aber im Sommer sind sie die reinsten Backöfen. Als ich abends schließlich die Treppe zu meinem Zimmer hinaufsteige, fühle ich mit jeder Stufe die zunehmende Hitze. Irgendwann kaufe ich mir eines dieser elektrischen Thermometer und überprüfe, um wie viel Grad genau sich die Temperatur von Stufe zu Stufe erhöht.
    In meinem Zimmer angekommen, stelle ich den Ventilator an und falle ins Bett. Ich sinke in jenen nicht pharmazeutisch herbeigeführten Schlaf, an den ich mich aus meiner Kindheit erinnere, und ich träume von einem großen Haus, in dem in jedem Zimmer ein Fernseher steht. Auf allen Bildschirmen läuft dasselbe Programm, aber die Schauspieler sind immer andere. Ich schlendere durch das Haus und betrachte die Synchronszenen, dann entscheide ich mich für den Fernseher mit den interessantesten Schauspielern – nicht mit den attraktivsten –, was beweist, dass mein Unterbewusstsein nicht oberflächlich ist. Ich setzte mich hin und sehe zu.
    Plötzlich fangen die Schauspieler an zu streiten und ihre erhobenen Stimmen verfolgen mich bis in die wache Welt. Als ich wieder voll bei Bewusstsein bin, fällt mir auf, dass es genau andersherum war. Den Streit gibt es wirklich irgendwo da draußen und er hatte sich in meine Träume geschlichen.
    Ich rolle mich auf die Seite, weg vom Fenster, und gerade als ich fast wieder eingeschlafen bin, eskaliert die Auseinandersetzung. Langsam dämmert mir, dass ich hier nicht in San Francisco bin, wo so etwas praktisch an der Tagesordnung ist.
    Ich steige aus dem Bett, schiebe die Vorhänge auseinander und schaue auf die stille

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