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Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernwald Schneider
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Hauptstadt Ihres Landes eine Reise wert ist.«
    Sie lächelte ihn aufmunternd an und warf einen Blick zur Sängerin auf der Bühne. »Ich denke«, sagte sie gewinnend, »Ihre New Yorker Künstlerinnen sind nicht weniger attraktiv.«
    »Oh, danke«, entgegnete er, »ich nehme es auch als ein Kompliment für mich. Aber darf ich Sie fragen, Irene, was Sie nach Amerika führt?«
    »Ein Filmengagement«, erwiderte sie. »Ich reise übermorgen Abend nach Los Angeles weiter. Die Dreharbeiten beginnen in der übernächsten Woche.«
    »So, Sie sind nicht nur Artistin, sondern auch eine Schauspielerin! Was spielen Sie für eine Rolle?«
    »Bloß mich selbst, eine Artistin, es ist nur eine kleine Rolle am Trapez.«
    »Oh, Sie untertreiben! Am Trapez – das ist nicht wenig!« Er schien einen Moment nachzudenken. »Und für eine unbedeutende Rolle, meine Liebe, hätte das Studio Sie auch nicht diese weite Reise machen lassen. Trapezkünstlerinnen gibt es auch in Amerika; wenngleich«, er lächelte wieder in seiner einnehmenden Art, »wohl nur wenige, die so atemberaubend sind wie Sie!«
    »Mein Freund Gustav Helmholtz hat seine Verbindungen genutzt und sich für mich verwendet«, sagte Irene. »Er wollte etwas für meine Karriere tun.«
    »Helmholtz, wer ist das?«
    »Ein bekannter deutscher Schauspieler, mit dem ich diese Reise gemeinsam antrat. Er ist bereits auf dem Weg nach Los Angeles.«
    Shannon blickte immer noch nachdenklich drein. »Ihr Freund scheint über sehr viel Einfluss zu verfügen. Mit welchem Studio haben Sie den Vertrag?«
    »Universal. Ich hatte wirklich großes Glück; allerdings haben sie mir die Rolle auch nur gegeben, weil ich mich verpflichtet habe, einige Aufnahmen ohne Netz zu machen.«
    Er riss die Augen weit auf. »Sie meinen, Sie turnen ganz ohne Netz am Trapez?«
    Irene nickte.
    »Sie werden doch nicht für eine Filmaufnahme ohne Netz turnen müssen«, warf ich ein. »Es ist ja nicht die wirkliche Manege. Die Kamera muss das Netz nur nicht filmen.«
    »Der Regisseur unseres Films will es realistisch«, erwiderte sie. »Er denkt, dass es dem Film zugute kommt, wenn wir nicht nur so tun, als sei da kein Netz, sondern wenn es wirklich fehlt. Es gibt da eine Szene, in der die Artistin, die ich spiele, in der Nacht vor der Premiere mit ihrem Partner von einer Party kommt und die beiden die neue Nummer ein letztes Mal heimlich proben wollen. Aber das Netz für die Vorstellung ist noch nicht aufgehängt.«
    »Aha! Und deshalb lässt der Regisseur Sie auch in der Wirklichkeit ohne Netz turnen?« Shannon schüttelte den Kopf und lachte gleichzeitig auf. »Ein starkes Stück! Sieht denn das Drehbuch wenigstens vor, dass die Probe gelingt?«
    »Beim ersten Mal ja, doch dann machen wir es noch einmal und da geht es schief. Am Schluss liege ich in der Manege – nackt und tot.«
    »Nackt? Warum denn nackt?«, fragten Shannon und ich wie aus einem Munde.
    Sie lachte. »Wenn ich von der Party komme, trage ich ein Abendkleid, in dem ich natürlich nicht turnen kann. Also ziehe ich das Kleid aus – und darunter bin ich eben nackt. Finden Sie das etwa anstößig?«
    »Hm! Sehr originell!«, brummte Shannon. »Das hat sich dieser Regisseur ja fein ausgedacht.«
    »Die Idee hätte genauso gut von mir sein können«, sagte Irene. »Wenn schon ohne Netz, dann auch nackt!«
    »Etwas ungerecht nur, dass Ihr Partner seinen Anzug anbehalten darf, nicht wahr?«, entgegnete Shannon.
    Sie schlug in entwaffnender Weise die Augen zu ihm auf. »I wo! Er ist natürlich genauso unbekleidet wie ich!«
    »Aber«, Shannon hustete, als hätte er sich gerade an seinem Champagner verschluckt. »Sie meinen wirklich – ganz nackt – als Mann – gemeinsam mit Ihnen? Allein die Vorstellung!«
    Sie lächelte und hob in einer wie um Verzeihung bittenden Geste ihre Schultern. »Wir sind Gottes Geschöpfe und haben nichts zu verbergen. Mein Partner muss konzentriert sein, ansonsten mag geschehen, was geschehen muss. Es geht schließlich um Kunst.«
    »Kunst?«, zweifelte Shannon. »Das einzige Kunstwerk in diesem Film sind Sie, meine Liebe! Nur wird man nicht viel davon sehen können. Der Film kommt doch niemals durch die Zensur, jedenfalls nicht ohne ganz erhebliche Schnitte.«
    »Nein, keine Schnitte«, widersprach ihm Irene. »Es gibt nur Schatten, die unsere Lenden bedecken. Die erotische Wirkung wird durch diese Schatten noch erhöht. Der Regisseur hat sich etwas dabei gedacht! Je provokanter die verborgenen Bilder sind, umso

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